Fondation CH2048
„Wir wollen Reformen anstossen“
Die neu gegründete Politorganisation Fondation CH2048 will der Politik in der Schweiz Beine machen. Sie will Anstösse geben, aber die institutionelle Politik nicht ersetzen, sagt der Stiftungsgründer und Programmleiter Christoph Koellreuter. Ein erstes Projekt ist bereits in der Pipeline.
Politische und ökonomische Organisationen und Thinktanks gibt es in der Schweiz bereits diverse. Warum braucht es jetzt auch noch die Fondation CH 2048?
Wir finden es sehr wichtig, dass die Fondation sehr breit abgestützt ist. Dies in Bezug auf die Landesteile und die Politik. Wir sprechen aktive Politiker in der Legislative und Exekutive auf Bundes-, Kantons oder Gemeindeebene sowie ehemalige Politiker an. Wir wollen aber auch die Wirtschaft dabei haben. Im Weiteren haben wir Kontakte zu KMU und Genossenschaften, möchten aber auch Global Players ins Boot holen, die für den Volkswohlstand eine grosse Rolle spielen. Weiter sollen bei uns zivilgesellschaftliche Organisationen mitmachen, wie Arbeitnehmerorganisationen oder Konsumentenorganisationen. Schliesslich ist auch die Wissenschaft mit von der Partie. Wir wollen nicht die institutionelle Politik ersetzen. Vielmehr möchte wir starke Impulse liefern, die über das hinausgehen, was ein normaler Thinktank hinkriegt. Die institutionelle Politik soll die Impulse dann übernehmen und weitertreiben.
Wo verorten Sie sich politisch?
Bei uns sollen alle mitmachen können, die dafür sind, dass die Schweiz weiterhin global wettbewerbsfähig bleibt. Die aber auch erkennen, dass dies nicht einfach so vom Himmel fällt, sondern politisch erarbeitet werden muss. Und die anerkennen, dass man Verantwortung übernehmen muss für das Gemeinwesen, für die Schwächeren, für die Umwelt, für die nachfolgenden Generationen und für sich selber.
Was machen Sie anders als andere vergleichbare Organisationen?
Wenn wir uns zum Beispiel vergleichen mit Avenir Suisse, dann ist Avenir Suisse ein Thinktank der Wirtschaft. Keine Arbeitnehmerorganisationen sind dabei, keine Politiker. Die Wissenschaft ist nicht im Stiftungsrat vertreten, auch nicht die institutionelle Politik. Wir glauben, dass die Wirksamkeit höher ist durch die Verlinkung mit der institutionellen Politik.
Warum nehmen Sie sich für Ihr erstes Projekt gerade dem Mittelstand an?
Das erste Projekt – Steuern.Transfers. – Reformvorschläge für eine global wettbewerbsfähige und verantwortliche Schweiz – geht von einer Ausgangsanalyse aus. Auf der Basis von Erkenntnissen aus der Forschung von Monika Engler von der Universität St. Gallen gewannen wir den Eindruck, dass das zweite und dritte Fünftel der Einkommenspyramide kaum mehr oder sogar weniger verdient als das unterste Fünftel. Die Transfers und Steuern sind so schlecht organisiert, dass sich von einem bestimmten Moment an Mehrleistung praktisch nicht mehr lohnt. Es ist denn auch eine relativ hohe politische Unzufriedenheit im unteren bis mittleren Mittelstand festzustellen. Dieser kann sich an der Urne äussern. Die Unzufriedenheit kann sich nach oben oder unten äussern.
Wie soll dem Mittelstand geholfen werden?
Der Mittelstand ist die Mehrheit in unserem Land. Wenn man ihm nicht Sorge trägt, dann besteht die Gefahr, dass er sich hinter standortschädliche Initiativen stellt. Man muss etwas für den Mittelstand tun, aber nicht, indem man ihn mehr subventioniert. Vielmehr muss man das Steuer- und das Transfersystem so kalibrieren, dass auf allen Stufen der Anreiz zu arbeiten nicht zerstört wird. Im Gegenteil sollen Anreize dafür geschaffen werden, mehr zu arbeiten und sich höher zu qualifizieren. Dadurch kann mehr verdient werden. Der Mehrverdienst soll nicht gleich wieder vom Staat weggenommen werden. So kann jeder seine Einkommensposition verbessern.
Die Verteilung der Einkommen ist in der Schweiz ja recht ausgeglichen, stellen Sie selber fest. Bei den Vermögen sieht die Situation weit dramatischer aus. Auch in der Schweiz besitzen wenige sehr viel. Warum tun Sie hier nichts?
Wir haben jetzt erst einmal eine Auslegeordnung gemacht. Es ist durchaus möglich, dass wir auch die Vermögensfrage ansprechen werden. Bezüglich der Vermögen ist allerdings die statistische Datenbasis sehr schlecht.
Sie sagen, Sie wollen mit Ihren Reformen mehr Anreize schaffen, zu arbeiten. Arbeit soll sich lohnen, einverstanden. Nun sind aber nicht alle, die nicht arbeiten, faule Menschen. Viele finden nur sehr schwer eine Arbeit, noch mehr finden nur eine Teilzeitarbeit und würden gerne mehr arbeiten. Wie verhindert man, dass man solche Leute bestraft?
Das muss im Einzelnen sehr genau angeschaut werden. Wenn jemand in eine solche Situation gerät, dann braucht es klar einen Transfer. Eine transferlose Gesellschaft ist nicht vorstellbar.
Haben Sie neben den Steuern und Transfers bereits andere Projekte ins Auge gefasst?
Attraktiv wären Themen, welche das Verhältnis der Schweiz zu Europa und der Welt ansprechen.
Wie stellen Sie Mehrheiten für Ihre Reformvorschläge sicher?
Der Stiftungsrat ist so zusammengesetzt, dass er die Grundströmungen in unserem Land abbildet. Wir machen uns aber keine Illusionen. Ganz Rechts und ganz Links haben nicht nur Freude am Projekt. Sie werden wir nicht erreichen. Wenn wir die Parteien anschauen, haben wir einige Mitglieder der SP dabei, noch nicht gelungen ist uns, die SVP ins Boot zu holen. Es gibt aber Gespräche mit der Partei.
Jemanden haben Sie immer gegen sich. Welche Chancen rechnen Sie sich aus, wenn Sie gegen die Gewerkschaften oder die Arbeitgeber kämpfen müssen?
Die Fondation CH 2048 wird nie selber eine Abstimmungskampagne leiten. Wir wollen vielmehr, dass die Bundes- oder Kantonsparlamentarier den Ball aufnehmen und weitertreiben. Wie wir es genau machen werden, wie die Reformvorschläge in den politischen Prozess eingefädelt werden, ist noch nicht festgelegt.
Bei jeder Reform gibt es Gewinner und Verlierer. Wer muss aus Ihrer Sicht gewinnen und wer darf ruhig etwas verlieren?
Wir wollen uns, und das ist der springende Punkt, auf Reformvorschläge konzentrieren, bei denen es möglichst keine Verlierer gibt.
Gibt es das?
Wenn wir das Steuersystem so ändern, dass mehr gearbeitet wird, dann wird der Gesamtkuchen grösser. Alle Beteiligten haben mehr oder zumindest nicht weniger. Das macht es einfacher, Reformen durchzubringen.
Wäre es denn schlimm, wenn die ganz Reichen ein bisschen verlieren würden?
Bei der Auslegeordnung von Reformen werden solche Überlegungen angestellt. Wir sagen auf unserer Homepage, dass die obersten Vermögens- und Einkommensprozente, die von sehr guten Rahmenbedingungen im Hinblick auf die globale Wettbewerbsfähigkeit überdurchschnittlich profitieren, auch eine Verantwortung gegenüber der Gesellschaft und den Schwächeren haben. Ich bin ein grosser Fan der amerikanischen Milliardärsphilosophie. Die Hälfte des Vermögens wird in Projekte für die Bevölkerung gesteckt. Diesbezüglich kann man steuerlich Anreize setzen.
Wann werden Sie erste Reformvorschläge in den politischen Prozess einspeisen?
Das dürfte 2016 der Fall sein. Wir ziehen uns zurück, sobald die Vorlage ins Parlament kommt. Dann übernimmt die institutionelle Politik. Wir wollen auch die Verbände nicht ersetzen.
Wann sind erste Vorlagen umgesetzt?
Wenn man das Tempo der helvetischen Politik anschaut, dann dauert das bestimmt fünf Jahre.
Interview: Hansjörg Schmid
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