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Was kommt nach der Digitalisierung?

Die Menschheit steht wie schon lange nicht mehr vor grössten Herausforderungen: Das Klima droht zu kollabieren, die liberale Demokratie, der Kapitalismus und die Aufklärung stecken in der Krise und die künstliche Intelligenz könnte uns bald auslöschen. Rettet uns die Quantenwirtschaft? Der Wirtschafsphilosoph Anders Indset beantwortet diese Frage in seinem Buch «Quantenwirtschaft».

Wir stecken mitten in der Digitalisierung der Arbeits- und Lebenswelt und kommen damit einigermassen klar, auch wenn es für viele nicht einfach ist. Aber die technische Entwicklung hört mit der Digitalisierung nicht auf. Was kommt danach und wie wird es geeignet sein, die riesigen Herausforderungen zu meistern, vor denen unsere Wirtschaft, Politik und Gesellschaft stehen? Der norwegische Wirtschaftsphilosoph Anders Indset wagt in seinem Buch «Quantenwirtschaft. Was kommt nach der Digitalisierung?» einen Ausblick.

Indset bringt dafür, auf den ersten Blick überraschend, die Quantenphysik ins Spiel. Was, um Gottes Willen, hat Quantenphysik mit Wirtschaft zu tun? Sehr viel, wie der Philosoph überzeugend aufzeigt. Philosophie und Naturwissenschaft sind nämlich nicht so gegensätzlich, wie sie oft dargestellt werden. Die Modelle der Naturwissenschaften prägen, neben den Religionen, nämlich sehr stark das Bild, das die Menschen von sich selber und von der Gesellschaft haben. Das mechanistische Weltbild zum Beispiel betrachtet die Welt als Maschine und schliesst immaterielle Einflüsse aus. Der Darwinismus erklärt die Welt als Evolution, als Entwicklung. Ein wichtiges Prinzip ist dabei die natürliche Auslese. Auch die Wirtschaftsmodelle nehmen Bezug auf solche naturwissenschaftlich-weltanschaulichen Modelle. Dem Kapitalismus liegt sowohl ein mechanistisches als auch darwinistisches Weltbild zugrunde: Der Markt funktioniert wie eine Maschine und ist gesteuert durch Angebot und Nachfrage. Die Produzenten stehen wie die Spezies in Konkurrenz zueinander und können sich gegenseitig verdrängen.

Der zunehmende Einfluss der Quantenphysik

Anders Indset geht nun davon aus, dass die Theorie der Quantenphysik zunehmend einen Einfluss auf unser Weltbild, unsere Gesellschaft und die Wirtschaft haben wird. Er behauptet dies nicht einfach, sondern macht es an Beobachtungen fest.

Damit man dies versteht, braucht es eine kurze Erklärung der Quantenphysik. Deren Phänomene laufen unserer Intuition sehr stark entgegen. Versuchen Sie also bitte nicht, sie nachzuvollziehen (Indset tut es auch nicht). Das gelingt wohl nur den Quantenphysikern selbst. Um die Argumentation des Wirtschaftsphysikers zu verstehen, genügt es, die Phänomene als gegeben zu betrachten.

Die «bizarre Quantenrealität», wie sie Indset im Buch bezeichnet, sieht so aus (keine vollständige Darstellung):

  • Partikel können gleichzeitig an zwei beliebig weit auseinanderliegenden Orten sein.
  • Partikel können zugleich Energie oder Materie sein. Im Experiment «entscheiden» sie sich erst für eines der beiden, wenn sie vom Beobachter «gezwungen» werden.
  • Anders als in der klassischen Physik erhält man beim Messen eines Quantensystems nicht jedes Mal das gleiche Ergebnis, sondern ein Resultat innerhalb eines Wahrscheinlichkeitsspektrums.
  • Über zwei komplementäre Eigenschaften eines Teilchens können wir nicht beliebig viel wissen. Je mehr wir über das eine wissen (z.B. Ort eines Atoms), desto wenige wissen wir über das andere (z.B. Impuls des Atoms). Dies besagt die Heisenbergsche Unschärferelation.
  • Wenn bei einem von zwei (oder mehr) verschränkten Teilchen eine Zustandsänderung herbeigeführt wird, tritt diese beim anderen Teilchen genau gleichzeitig ein, egal, wie weit sie voneinander entfernt sind.

Der Schluss von Anders Indset daraus lautet: «In der subatomaren Dimension gelten ganz und gar andere Gesetze» als in der herkömmlichen Physik.

Solche widersprüchlich erscheinenden Gesetze beobachtet Indset auch in der heutigen Wirtschaft und Gesellschaft. «Wir alle sind den Partikeln und Wellen der Quantenwelt ähnlicher, als es uns meist bewusst ist», schreibt er. «Menschsein heisst eben, rational und irrational, materialistisch und spirituell, logisch und intuitiv zu sein.

Gegensätze integrieren

Physik, Philosophie, Natur- und Geisteswisschenschaften nähern sich immer mehr an, glaubt Anders Indset. Er rechnet aber nicht damit, dass die miteinander verschmelzen werden, denn dann «wäre die Aufklärung vollendet und das Spiel für uns Menschen damit aus». Womöglich versöhnt die Quantenphysik sogar die Religion wieder mit der Naturwissenschaft. Es gab und gibt schliesslich diverse Physiker, die sich als gläubig bezeichnen.

Die Annäherung der Disziplinen und der Einbezug der Quantenphänomene sieht Indset als Chance für unsere Welt. Er stellt kein eigentliches Modell der Quantenwirtschaft auf – ein abschliessendes Modell würde seiner eigenen offenen Theorie ja auch ein Stück weit widersprechen. Der Philosoph gibt auch keine detaillierten Handlungsanweisungen. Vielmehr zeigt er einen Weg auf, wie wir zu einer Quantenwirtschaft gelangen können. Sie soll Gegensätze integrieren und versöhnen, auf Nachhaltigkeit und Kreislauf ausgerichtet sein, die Gesellschaft stabilisieren und solidarisieren sowie das Wohl des Menschen ins Zentrum stellen. Teilweise haben wir uns schon auf den Weg begeben, es wird aber Hindernisse, Rückschläge und Umwege geben.

Konkret verspricht sich Anders Indset von der Quantenwirtschaft u.a. die folgenden Vorteile:

  • In der Quantenwirtschaft soll es nicht darum gehen, sich einzuschränken, sondern neuere, bessere Modelle zu entwickeln
  • In der Quantenwirtschaft sollen Führungskräfte lernen, dass Soft Skills eigentlich Hard Skills sind
  • In der Quantenwirtschaft lernen wir alle lebenslang
  • In der Quantenwirtschaft bilden sich neue Formen des Grundeinkommens heraus
  • Die Entwicklung von Quantencomputern ermöglicht der Quantenwirtschaft einen neuen Technologieschub
  • In der Quantenwirtschaft plündern wir nicht die Realität aus, sondern schöpfen die Potenzialität aus
  • In der Quantenwirtschaft haben wir kein Energieproblem mehr
  • Zirkulärwirtschaft wird fester Bestandteil der Quantenwirtschaft
  • Die Share-Economy gehört untrennbar zur Quantenwirtschaft – mehr und mehr Produkte werden zu Dienstleistungen und die Produkte haben eine lange Lebensdauer
  • In der Quantenwirtschaft gibt es Kooperenz statt Konkurrenz
  • Die ethische Ausrichtung der Unternehmen wird in der Quantenwirtschaft zum Faktor für den Unternehmenserfolg
  • Die Quantenwirtschaft wird nicht nur unsere materiellen Bedürfnisse befriedigen, sondern uns auch ermöglichen, unsere Talente zu entwickeln und Träume auszuleben

Wir haben es in der Hand – und müssen rasch handeln

Ob wir wirklich dahin gelangen, hängt nicht von der Technologie, vom Geld oder sonst etwas ab, sondern ganz allein von uns Menschen. Wir haben es in der Hand, unsere Welt so zu entwickeln, wie wir sie wollen. Die Welt der Quantenwirtschaft nach Indset ist eine sehr humane. Ziel sind glückliche und zufriedene Menschen. Daher ist die Quantenwirtschaft ein geeigneter Vorschlag für das künftige Zusammenleben der Menschheit.

Von selbst wird sie sich nicht so etablieren, wie sie im Idealfall aussehen müsste. Anders Indset apelliert deshalb an uns alle, sich dafür einzusetzen. Und er warnt eindringlich vor den Gefahren, wenn wir es nicht tun:

  • Stellen wir die Wirtschaft nicht komplett auf Nachhaltigkeit um, kommt es zum Klimakollaps und die Erde wird so ausgebeutet, dass uns Ressourcen fehlen werden.
  • Wenn die Wirtschaft und die Politik nicht dafür sorgen, dass der Wohlstand gleichmässig über die Länder, Regionen und die Bevölkerung verteilt wird, wird die Ungleichheit und Armut noch grösser. Es drohen Aufstände und Kriege.
  • Verläuft die Digitalisierung nicht in geordneten, kalkulierbaren und kontrollierten Bahnen, dann laufen wir auf eine digitale Diktatur und einen Überwachungsstaat zu. Zudem müssen wir aufpassen, dass uns die künstliche Intelligenz nicht unkontrollierbar wird und uns auslöscht (mehr zu dieser Gefahr erfahren Sie im Beitrag «Werden wir als Krone der Schöpfung bald abgelöst?» sowie im Apunto 4/2017).

Wir haben nicht mehr viel Zeit, die riesigen Herausforderungen anzugehen, weil wir schon nah an der Klimakatastrophe sind und weil die künstliche Intelligenz riesige Fortschritte macht und nicht alle die Gefahren sehen.

Gelingen kann es nur, wenn die Menschen aufgeklärt werden und in der Sache zusammenspannen. Anders Indset leistet seinen Beitrag dazu. Lesen Sie sein trotz des anspruchsvollen Themas leicht geschriebenes Buch und werden Sie selber Akteur – unsere Zukunft hängt auch von Ihnen ab!

Hansjörg Schmid

Montag, 20. Jan 2020

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Zum Buch "Quantenwirtschaft"

"Bewusstseinswandel oder Untergang - wir haben die Wahl", steht auf dem Umschlag zum Buch "Quantenwirtschaft. Was kommt nach der Digitalisierung?" von Anders Indset.