Warum Suchtmittel rasch zum Problem werden können
Du trinkst gerne ein Glas Wein oder zwei, weil es dir schmeckt und du es ganz angenehm findest, leicht berauscht zu sein? Du rauchst ab und zu einen Joint, weil dir dann der Sound am Reggae-Konzert besser einfährt? Das ist aus gesundheitlicher Sicht OK. Zum Problem werden Suchtmittel, wenn du zu viel konsumierst und abhängig wirst oder nach harten Drogen greifst. Die Folge können psychische Störungen sein. Dieser Artikel klärt dich über die verschiedenen Suchtmittel und deren Auswirkungen auf deine Gesundheit auf.

Peter ist ein Typ, der in seinem Büro vor sich hinarbeitet und den ganzen Tag kaum etwas sagt. Erst beim Feierabendbier kommt er aus sich raus. Er leert in der Zeit, in der die anderen ein kleines Bier trinken, locker zwei grosse. In letzter Zeit hat Peters Arbeitsleistung deutlich nachgelassen und er sieht immer blässer aus.
Olga wirkt am Montagmorgen immer erschöpft und hat üble Laune. Am Freitag geht es ihr deutlich besser und sie schwärmt von der Rave-Party, die sie am Wochenende besuchen wird. Dort lässt sie es nach ihren eigenen Worten so richtig krachen und sie tanzt ganze Nächte durch. Die Arbeit hingegen scheint Olga immer weniger zu interessieren und für ihre Arbeitskolleg*innen wird es zunehmend schwierig, von ihr etwas zu bekommen.
Teamleiter Markus ist grossen Stimmungsschwankungen ausgesetzt. Wirkt er, wenn er ins Büro kommt, müde, ausgelaugt und fahrig, ist er schon eine halbe Stunde später voller Energie und voll fokussiert. Neuerdings fällt Markus durch merkwürdiges Verhalten auf. So hat er sein Büro nach Wanzen abgesucht und spricht manchmal laut mit sich selbst.
Peter, Olga und Markus haben etwas gemeinsam: ein problematisches Suchtverhalten. Peter trinkt zu viel Alkohol, Olga konsumiert Ecstasy und Markus kokst. Die Folge davon sind zunehmende psychische Probleme.
Bei Suchtmitteln ist es zuerst einmal wichtig zu unterscheiden, ob deren Konsum unproblematisch oder problematisch ist. Ein kleines Feierabendbier am Donnerstag oder Freitag ist für die meisten Menschen unproblematisch und hat keine negativen gesundheitlichen Auswirkungen. Problematisch wird der Konsum von Alkohol und anderen Suchtmitteln aber, wenn er negative Auswirkungen hat auf die körperliche und seelische Gesundheit und die Leistungsfähigkeit. Am problematischsten ist er, wenn eine Abhängigkeit von einer Substanz entstanden ist. Wenn also ein Mensch ohne diese nicht mehr sein kann und sich der Alltag nur noch um deren Beschaffung dreht. Das kann, je nach Veranlagung und Suchtmittel, sehr schnell geschehen. Substanzabhängigkeiten sind die vierthäufigste psychische Störung in unserer Gesellschaft.
Von Alkohol bis Heroin
Suchtmittel sind in unserer Gesellschaft weit verbreitet. Es gibt unterschiedlichste Substanzen mit unterschiedlichsten Wirkungen und Folgewirkungen. Hier eine Übersicht:
- Alkohol ist am weitesten verbreitet und wird am häufigsten konsumiert. Massvoll getrunken gilt Alkohol nicht als Risiko. Die unschädliche Menge ist allerdings tief. Frauen sollten pro Tag nicht mehr als einen Viertelliter Wein oder 3 dl Bier trinken, Männer vertragen rund das Doppelte. Ein höherer und regelmässiger Konsum von Alkohol kann zu schwerer Abhängigkeit und zu psychischen Erkrankungen wie einer Depression führen.
- Rund ein Viertel der Schweizer Bevölkerung ab 15 Jahren raucht regelmässig oder gelegentlich. Nikotin wird zwar nicht als Ursache für psychische Störungen angesehen, jedoch sind psychische Erkrankungen bei Raucher*innen doppelt so wahrscheinlich wie bei Nichtraucher*innen. Möglicherweise rauchen Menschen mit psychischen Problemen, um die Stimmung zu verbessern.
- Ein Drittel der Schweizer Bevölkerung hat Erfahrungen mit Cannabis. Die gesundheitlichen Nebenwirkungen des Cannabiskonsums werden häufig unterschätzt. Insbesondere bei frühem Einstieg und häufigem Konsum können Psychosen (vgl. dazu den Artikel «Wenn du plötzlich Stimmen hörst oder verfolgt wirst») und Depressionen ausgelöst werden.
- Ecstasy ist eine typische Partydroge mit halluzinogener Wirkung. Die Substanz wird eingenommen, um beim Tanzen möglichst lange durchzuhalten. Aber gerade dies ist gefährlich. Wenn man dabei keine Pausen einlegt und nicht regelmässig Flüssigkeit zu sich nimmt, kann der Konsum im Extremfall sogar zum Tod führen.
- Menschen in schwierigen Lebenssituationen helfen Beruhigungs- und Schlafmittel, wieder auf Kurs zu kommen. Diese und andere Medikamente (z.B. starke Schmerz- oder Hustenmittel) werden allerdings auch ohne medizinischen Grund als Drogen eingenommen. Dies kann rasch zu Abhängigkeiten führen.
- Kokain hat eine stark euphorisierende Wirkung, macht aber nach kurzer Zeit bereits süchtig. Über längere Zeit eingenommen kann es zu psychischen Störungen wie Verfolgungswahn, Aggression, Ängsten, Psychosen oder Depressionen kommen.
- Amphetamine (Speed) steigern die Energie und vordergründig die geistige Wachsamkeit. Dies allerdings zum Preis, dass es beim Abklingen der Wirkung zu depressiven Verstimmungen, Reizbarkeit, Unruhe und Schläfrigkeit kommen kann. Hohe Dosen können Angstzustände, Verfolgungswahn, Psychosen, Depressionen, Halluzinationen und Wahnvorstellungen auslösen.
- Halluzinogene sind Drogen, welche die Wahrnehmung der Realität verändern. Bekannt sind LSD und halluzinogene Pilze. Problematisch an Halluzinogenen sind sogenannte Flashbacks – wiederkehrende Wahrnehmungen, ohne dass die Droge wieder eingenommen wurde.
- Heroin, Morphin, Opium und Kodein zählen zu den Opioiden. Sie erzeugen ein Gefühl von Euphorie und Wohlbefinden und unterdrücken Schmerzen. Das Suchpotenzial ist sehr hoch und der Konsum löst häufig psychische Erkrankungen wie Depressionen und Psychosen aus.
Ursachen und Risikofaktoren
Warum konsumieren so viele Menschen Suchtmittel? Die Gründe sind vielschichtig. Peter in unserem Beispiel glaubt, das Leben nur aushalten zu können, wenn er Alkohol trinkt. Er ist alleinstehend und hat keine Freunde. Seine sozialen Kontakte beschränken sich auf das Feierabendbier mit den Arbeitskolleg*innen. Olga stresst und nervt ihre Arbeit. Sie lebt für die Raves am Wochenende. Mit ihren Freund*innen mithalten und die Nacht durchtanzen kann sie nur, wenn sie Ecstasy einwirft. Markus ist ein eher scheuer und zerstreuter Typ. Seine Aufgabe als Teamleiter und der sehr hohe Arbeitsanfall überfordern ihn. Er kommt an der Arbeit nur in die Gänge und kann sich konzentrieren, wenn er eine Linie zieht.
Weitere Risikofaktoren für Suchtprobleme zusätzlich zu den genannten sind die teilweise leichte Verfügbarkeit von Suchtmitteln und in gewissen Fällen deren gesellschaftliche Akzeptanz. Zu Substanzen greifen Menschen auch, wenn sie traurig sind oder Beziehungsprobleme haben, aber auch, wenn sie in einer Clique dazugehören möchten. Eine Rolle spielen kann auch Armut oder das Umfeld, in dem man aufwächst. Nicht zuletzt können andere psychische Erkrankungen dazu führen, dass Suchtmittel konsumiert werden. Häufig ist zum Beispiel die Kombination Depression und Alkoholabhängigkeit.
Habe ich einen problematischen Suchtmittelkonsum?
Wenn du glaubst, dass dein Konsum von Substanzen problematisch sein könnte, frage dich als erstes: Tut mir der Konsum in der aktuellen Situation und in der eingenommenen Menge gut oder ist er schädlich? Schädlichen Konsum erkennst du auch daran, dass er negative Auswirkungen auf deinen Körper oder deine Seele hat, also auf deine körperliche Fitness und deine Stimmung. Ebenso ist der Suchtmittelkonsum problematisch, wenn er deine Beziehungen beeinträchtigt oder deine Arbeitsleistung. Im schlimmsten Fall kommst du sogar mit dem Gesetz in Konflikt, zum Beispiel, wenn du illegale Drogen konsumierst.
Ein weiterer relevanter Punkt beim Substanzenkonsum ist der Faktor Regelmässigkeit. Wenn du ab und zu über die Stränge haust, ist dies weniger tragisch, als wenn du regelmässig Suchtmittel konsumiert, weil du abhängig bist.
Früh intervenieren
Bei einem problematischen Suchtmittelkonsum ist es wie bei anderen psychischen Erkrankungen wichtig, zu handeln. Dies gilt ganz besonders bei Jugendlichen. Das Gehirn von Teenagern und jungen Erwachsenen ist noch nicht vollends ausgebildet und anfälliger für die Wirkung von Alkohol und Drogen. Diese können die Entwicklung des Gehirns und damit die kognitiven Fähigkeiten beeinträchtigen.
Stellst du bei Freund*innen oder Arbeitskolleg*innen fest, dass ein problematischer Suchtmittelkonsum vorliegen könnte, ignoriere dies nicht. Suche das Gespräch und biete deine Unterstützung an. Achte darauf, die Person für ihr Suchtverhalten nicht zu verurteilen. Deine Aufgabe ist es, neutral und wohlwollend zuzuhören und professionelle Hilfe zu vermitteln. Im Artikel «ensa – erste Hilfe für psychische Gesundheit» im Apunto 4/2021 (Seite 12) erfährst du mehr darüber, wie man Menschen auf psychische Probleme ansprechen kann. Es ist ein Bericht über einen sehr empfehlenswerten Kurs von Pro Mente Sana zu diesem Thema. Hinweise erhältst du auch in der App «Etwas tun?!» von Angestellte Schweiz (siehe Kasten).
Hansjörg Schmid
Anlaufstellen bei Suchtproblemen
Auf der Website von Sucht Schweiz findest du viele Infos für Betroffene, Familiennagehörige, Schulen usw. und du kannst Selbsttests machen.
Bei Alkoholproblemen hilft dir die Website von Anonyme Alkoholiker weiter.
Safezone.ch bietet Online-Beratung zu Suchtfragen für Betroffene, Angehörige, Fachstellen usw.
Suchtberatungsstellen findest du in vielen Kantonen und Städten. Erkundige dich im Internet.
«EtwasTun?!» – die App zum Erhalt der psychischen Gesundheit
Neue Arbeitsformen, zunehmender Druck am Arbeitsplatz, Fachkräftemangel, Pandemie – wir stehen dauernd vor Herausforderungen, die sich auch auf unsere Psyche auswirken. Wie grenze ich mich ab, wenn mir jemand von seinen Problemen erzählt? Wie kann ich mit Kränkungen im Arbeitsalltag positiver umgehen? Wie wichtig sind Pausen im Home-Office? Wie gestalte ich meine Erholung besser? Diesen und vielen anderen Fragen rund um die psychische Gesundheit geht die neue Gesundheits-App „EtwasTun?!“ nach. Sie bietet fundierte Lösungsvorschläge und Fachwissen – damit wir auch in der neuen Arbeitswelt fit bleiben.
Die Web-App hilft Berufstätigen in der Schweiz, ihre Kompetenzen im Umgang mit psychisch herausfordernden Situationen am Arbeitsplatz zu stärken. Das Tool bietet eine individuelle Lernumgebung und verbessert den Umgang mit psychischen Herausforderungen durch gezielte Sensibilisierung und Lernerfolge. «EtwasTun?!» ist als präventives Angebot gedacht, um Nutzer*innen abzuholen, bevor sich psychische Belastungen verschärfen und Therapien notwendig werden. Die App ist von jedem Desktop oder Smartphone aus zugänglich.