Abstimmung vom 12. Februar 2017
Unternehmenssteuer-reform III: Pro und Contra
Für Frank Marty, Leiter Finanzen und Steuer bei Economie Suisse, sichert die USRIII mehrere hunderttausend Arbeitsplätze. Er setzt sich für ein Ja an der Urne ein. Prisca Birrer-Heimo, SP-Nationalrätin, teilt seine Meinung nicht und warnt vor den Folgen der Reform für den Mittelstand.

Was bringt die Unternehmenssteuerreform III der Schweiz?
Prisca Birrer-Heimo: Die USR III, wie sie das Parlament verabschiedet hat, bringt der Schweiz neue Steuerschlupflöcher. Profitieren werden vor allem Grosskonzerne und reiche Aktionäre. Gemeinden, Kantone und der Bund verlieren mit der Reform mindestens 2,7 Milliarden an Steuereinnahmen.
Frank Marty: Die Schweizer Firmenbesteuerung ist ausserordentlich erfolgreich. Sie kann jedoch in der heutigen Form nicht weitergeführt werden. Bund und Kantone haben jahrelang nach einer Lösung gesucht: Die Schweiz soll steuerlich attraktiv bleiben, gleichzeitig müssen die internationalen Vorgaben erfüllt werden und Firmen sollen weiterhin substanziell zur Staatsfinanzierung beitragen. Mit der Steuerreform hat man eine Lösung gefunden, die alle drei Ziele erfüllt. Eine bessere ist im gesetzten Rahmen nicht zu finden.
Welche Nachteile, welche Vorteile hat diese Reform?
Prisca Birrer-Heimo: Die Abschaffung der kantonalen Steuerprivilegien für Statusgesellschaften wie Holdingfirmen ist überfällig und richtig. Aber die nun vorliegende Reform nützt in erster Linie einigen wenigen: Den Grosskonzernen, Steuerberatern und ausländischen Aktionären. Der Mittelstand hat nichts davon – im Gegenteil: Wir bezahlen die Reform mit höheren Steuern, Gebühren und mit Leistungsabbau.
Frank Marty: Kurzfristige Anpassungskosten sind nicht zu vermeiden. Das bisherige Steuersystem hatte gerade für die Staatskassen grosse Vorteile. So haben sich die Gewinnsteuereinnahmen beim Bund seit 1990 mehr als vervierfacht. Die Reform hält die Anpassungskosten so gering wie möglich. Deshalb unterstützen Bundesrat, Kantone und Gemeinden die Reform.
Welche Folgen hat die Reform auf die Arbeitsplätze in der Schweiz?
Prisca Birrer-Heimo: Wird die Reform in dieser misslungenen, teuren Ausgestaltung umgesetzt, dann kostet sie Arbeitsplätze. Die daraus resultierenden Sparmassnahmen werden zu Stellenabbau und weniger öffentlichen Aufträgen führen, und höhere Steuern und Gebühren für den Mittelstand schmälern deren Kaufkraft. Nicht diese Steuergeschenke sichern Jobs in der Schweiz, sondern Sicherheit, Stabilität, gute Infrastruktur, erstklassige Bildung und hohe Lebensqualität. Ausserdem: Von den 24 000 Gesellschaften, die heute von Steuerprivilegien profitieren, sind mindestens 9000 reine Briefkastenfirmen, die laut Gesetz gar kein Personal in der Schweiz anstellen dürfen.
Frank Marty: Sie sichert mehrere hunderttausend Arbeitsplätze: 150 000 direkt betroffene Stellen sowie mindestens noch einmal so viele bei verbundenen Schweizer Zuliefer- und KMU-Betrieben. Weil es hochwertige Arbeitsplätze sind, profitieren davon stark auch die Sozialversicherungen.
Wer sind die Gewinner resp. die Verlierer der Reform?
Prisca Birrer-Heimo: Die Fronten sind klar: Gewinner sind Grosskonzerne und Aktionäre, Verlierer ist der Mittelstand. Viele Städte- und GemeindevertreterInnen können die massiven Ausfälle dieser überteuerten Reform schlicht nicht verkraften, die Folgen sind Steuererhöhungen und Sparpakete.
Frank Marty: Internationale Konzerne werden vielfach mehr Steuern bezahlen, da heutige Sonderregeln abgeschafft werden. Schweizer KMU werden teilweise entlastet und können in Arbeitsplätze und Innovation investieren – letztere wird neu steuerlich gefördert. Mit der Steuerreform erhalten Kantone und Gemeinden vom Bund über eine Milliarde Franken pro Jahr.
Was bedeutet ein Nein zur Reform?
Prisca Birrer-Heimo: Ein Nein zur Reform macht den Weg frei für eine bessere, finanziell ausgewogene Reform, die nicht auf dem Rücken des Mittelstands ausgetragen wird.
Frank Marty: Die Schweiz hätte weiterhin ein Problem, aber auf Jahre hinaus keine Lösung. Gemäss Bundesrat drohten gravierende volkswirtschaftliche Schäden durch den Verlust von Arbeitsplätzen und Innovation. Die Einbussen beim Steuersubstrat wären massiv höher als die vorübergehenden Anpassungskosten. Mit 5 Milliarden Franken wäre bei einem Nein die Hälfte der Firmensteuern des Bundes gefährdet. Zudem droht der Verlust von Milliarden bei Kantonen und Gemeinden sowie den Sozialversicherungen.
Fragen: Virginie Jaquet