Ungute Nacht
Nur knapp die Hälfte der für eine Schlafstudie des Krankenversicherers Sanitas Befragten gibt an, gut bis sehr gut zu schlafen. Erfahre in diesem Artikel, was so viele Menschen vom Schlafen abhält, was die Folgen davon sind, was guter Schlaf ist und was du dafür tun kannst.

Neulich kam ich nach 23 Uhr von einem Konzert nach Hause und freute mich auf die Nachtruhe. Schon bevor ich in meine Strasse einbog, hörte ich aus einer Wohnung überlauten Sound stampfen. Eine grosse Teenagerparty war im Gange. «Die werden spätestens um Mitternacht aufhören», dachte ich mir und machte mich bereit fürs Bett. Die Musik konnte ich halbwegs ausblenden und ich wäre fast eingeschlafen, als einige der Jugendlichen begannen, auf der Strasse unter meinem Fenster rumzualbern. Sie stellten diese Aktivität auf meine freundliche Bittet zwar ein, aber um meinen Schlaf war es geschehen. Noch lange hörte ich die Bässe wummern, bis ich endlich einnickte. Am nächsten Morgen erwachte ich unausgeruht und missmutig.
Was uns wach hält
Lärm ist einer der vielen Gründe, die den modernen Menschen um den Schlaf bringen. Gemäss der Studie «Health Forecast 2022» des Krankenversicherers Sanitas sind zwei andere Gründe noch wichtiger: der Gang zur Toilette (46% der Befragten) sowie «Sorgen, Stress und Probleme» (45%). Weiter beeinträchtigen bei je rund 20% der Befragten zu späte oder zu schwere Mahlzeiten, die Temperatur im Schlafzimmer, Träume oder eben Geräusche den Schlaf.
Für viele Menschen in der Schweiz ist gut schlafen ein Wunschtraum. In der Sanitas-Studie geben 21% an, «nicht gut bis überhaupt nicht gut» zu schlafen. 48% schlafen gut bis sehr gut, 31% irgendwo dazwischen. Auffällig ist ein Graben zwischen der deutschen und der lateinischen Schweiz. Schlafen immerhin 50% der Deutschschweizer laut eigener Einschätzung gut, sind es in der Romandie nur 43% und im Tessin 40%.
Warum schlafen wir so schlecht, was sind die Folgen, welche Schlafstörungen gibt es und was können wir für einen bessern Schlaf tun? Diesen Fragen geht das Buch «Health Forecast – das neue Du» von Sanitas auf den Grund. Es diente als Hauptquelle für diesen Artikel.
Wie wir leben, so schlafen wir
Dass Menschen schlecht schlafen, hat einerseits mit unserem Lebensstil zu tun und andererseits medizinische Gründe. Letztere können körperliche oder psychische Krankheiten sein. Besonders schlimm wirken sich zwei Konditionen auf den Schlaf aus, da sie die Betroffenen dauernd wecken: die Schlafapnoe und das Restless Leg Syndrom. Bei der Apnoe kommt es zu Atemaussetzern und beim Restless Leg Syndrom bewegen sich die Beine unkontrolliert. Diese Leiden müssen medizinisch behandelt werden.
Gemäss der Weltgesundheitsorganisation WHO gibt es 88 verschiedene Schlafstörungen. Die Insomnie, also Ein- und Durchschlafprobleme, ist die häufigste. Danach folgen die erwähnten Störungen Apnoe und Restless Leg Syndrom.
Was den Lebensstil betrifft, auferlegen wir uns vieles selbst, was den Schlaf behindert: Wir legen das Smartphone kaum je weg und sogar auf unseren Nachttisch, wir sind stets erreich- und verfügbar, wir verlängern den Tag in die Nacht und feiern Partys bis in den Morgen, wir bewegen uns zu wenig, wir essen zu viel und ungesund und wir machen uns Stress. Negativ auf den Schlaf wirkt sich auch die Schichtarbeit aus.
Lange Zeit galten Menschen (insbesondere Manager und Politiker), die sich damit brüsteten, nur drei oder vier Stunden zu schlafen, als Helden. Diese Machokultur geht zum Glück dem Ende entgegen. Vielen dämmert es, dass wir für unsere Gesundheit einen gesunden Schlaf brauchen.
Schwerwiegende Folgen
«Menschen, die chronisch zu wenig schlafen, sterben früher». Diese harte Tatsache äussert im Sanitas-Buch der Schlafmediziner Sebastian Zaremba. Vor diesem Hintergrund erscheint es als verrückt, dass es uns nicht einmal das eigene Leben wert ist, dem Schlaf Sorge zu tragen. Zumal ein unausgeschlafenes Leben auch unangenehm ist. Die Folgen von Schlafmangel reichen von Konzentrationsschwierigkeiten und Antriebslosigkeit über Fettleibigkeit bis zu Entzündungen, Verdauungsbeschwerden, Bluthochdruck, Herzproblemen, Depressionen, Angststörungen und Demenz. Schlecht ausgeschlafen riskieren wir zudem mehr Unfälle.
Zwischendrin mal eine Nacht schlecht schlafen ist normal und nicht tragisch. Sobald es aber chronisch wird, wird es gefährlich. Die Neurologin und Schlafmedizinerin Rositsa Neumann empfiehlt allen, die länger als vier Wochen schlecht schlafen, sich Hilfe zu holen.
Besser Sex oder eine Verhaltenstherapie als Schlafpillen
Die schlechteste Behandlung von Schlafproblemen ist der Griff zur Chemie, zu Medikamenten wie Benzodiazepinen. Diese bekämpfen lediglich die Symptome und können die Schlafqualität negativ beeinflussen. Sie machen zudem sehr rasch abhängig. Darum sind sie sind höchstens für einen kurzfristigen Einsatz geeignet, um den Schlafrhythmus wieder herzustellen. Besser sind pflanzliche Präparate, die kaum Nebenwirkungen haben. Bei ihnen braucht es allerdings etwas mehr Geduld.
Auf dem Markt gibt es unzählige Gadgets, die den Schlaf positiv beeinflussen sollen. Zum Bespiel Apps, die beruhigende Musik abspielen oder störende Umgebungsgeräusche mittels «weissem Rauschen» eliminieren. Weiter findet man Schlaftracker sowie spezielle Matratzen, Kissen oder Pyjamas. Der Nutzen ist häufig zweifelhaft. Expert*innen warnen zum Beispiel davor, im Zuge der Selbstoptimierung unseren Schlaf lückenlos überwachen und verbissen optimieren zu wollen. Dies könne dazu führen, dass wir erst recht nicht schlafen.
Ein sehr bewährtes Mittel für guten Schlaf ist aus Sicht vieler Mediziner*innen für viele ganz einfach und gratis zu haben: Sex. Während des Aktes sind wir zwar stark angetrieben, aber danach äusserst entspannt.
Am meisten Erfolg verspricht aus Sicht der Ärztinnen und Ärzte eine kognitive Verhaltenstherapie. Also das Gespräch mit der Psychiaterin, dem Psychiater. Das Zeil ist, unser Verhalten so zu ändern, dass wir einen gesunden Schlafrhythmus finden.
Unterschiedliches Schlafbedürfnis
Wissenschaftler*innen unterscheiden drei Schlafphasen, die sich abwechseln: den Leichtschlaf, den mitteltiefen und den tiefen Schlaf. Während des Nachtschlafs durchlaufen wir in der Regel vier bis sechs Schlafzyklen à je rund 90 Minuten. Für die Erholung brauchen wir den mitteltiefen und vor allem den Tiefschlaf. Da sich die Schlafphasen abwechseln ist es ganz normal, dass wir zwischendrin aufwachen – etwa 28 Mal pro Nacht. Das ist nicht beunruhigend, solange wir bald wieder einschlafen. Häufig erinnern wir uns am Morgen gar nicht mehr daran, dass wir oft aufgewacht sind.
Wie viele Stunden Schlaf wir brauchen ist von Mensch zu Mensch sehr unterschiedlich und genetisch bedingt. Im Schnitt sind es etwa 7,5 Stunden. Es empfiehlt sich nicht, seine individuelle Schlafzeit verkürzen zu wollen, nur weil andere Menschen weniger schlafen.
Der Schlaf dient nicht nur der Erholung, sondern hilft uns auch, Wissen zu verankern, Erlebnisse zu verarbeiten und den Körper gesund zu erhalten.
Besser schlafen dank Traumsteuerung
Schlechte Träume sind eine Ursache für schlechten Schlaf. Rund die Hälfte der für die Sanitas-Studie Befragten leidet unter Albträumen. Wie schön wäre es, wenn wir unsere Träume positive drehen könnten! Fast die Hälfte der Befragten würde dies sehr gerne tun. In der Altersklasse der 18- bis 29-Jährigen sind es sogar 66%.
So abwegig wie es klingt, ist es nicht! Der Psychologieprofessor und Traumforscher Robert Stickgold verspricht sich durch die gezielte Manipulation von Träumen, dass Betroffene posttraumatische Belastungsstörungen, Depressionen oder Angstzustände besser verarbeiten können. Gelingen soll dies mittels sogenannter luzider Träume. Dies sind Klartäume, in denen uns bewusst ist, dass wir träumen und in deren Handlung wir gezielt eingreifen können. Dies kann ein Stück weit gelernt werden, wird aber nicht allen gelingen.
Eine Studie der Traumforschung hat kürzlich belegt, dass während des luziden Träumens mit Proband*innen kommuniziert werden kann. Traumforscher Stickgold ist begeistert davon, weil Träume so nicht mehr nur aus lückenhafter Erinnerung konstruiert werden können.
Der Schlaf ist ein kostbares Gut und unverzichtbar. Gönn dir so viel davon, wie du brauchst. Wenn du Schwierigkeiten mit dem Schlaf und mit Albträumen hast, helfen dir unsere neuen Kurse zum Thema Schlaf sowie unsere Tipps sowie unsere (siehe Kästen). Gute Nacht!
Hansjörg Schmid
Webinare für einen gesunden Schlaf
Ein gesunder Schlaf sorgt für gute Gesundheit. Leider macht sich der Schlaf manchmal rar und du liegst stundenlang wach. Unsere neuen Webinare rund um das Thema Schlafen helfen dir, deinen wohlverdienten Schlaf besser zu finden.
- Gesunder Schlaf – gute Nacht allerseits! 27. September 2022, 12-13 Uhr.
- Gesunder Schlaf – wenn das so einfach wäre! 10. November 2022, 08:30 -11:30 Uhr.
Zu einem besseren Schlaf können auch diese zwei neuen Webinare beitragen:
- Mach mal Mikropause! Das Geheimrezept für Stressreduktion. 25. Oktober, 12-13 Uhr.
- Mindpower – mit mentaler Stärke zum Erfolg! 21. September 2022, 12-13 Uhr.
Tipps für besseren Schlaf
Es gibt ganz viele Faktoren, die den Schlaf positiv beeinflussen. Mit diesen Tipps schläfst du besser.
- Bewege dich regelmässig, treibe Sport.
- Iss gesund und leicht, vor allem am Abend.
- Gönn dir tagsüber Powernaps respektive den guten alten Mittagsschlaf. Pass aber auf: schlafe höchstens eine halbe Stunde. Wenn du länger schläfst, verfällst du in den Tiefschlaf und bist dann müder als zuvor.
- Achte auf einen regelmässigen Schlafrhythmus. Geh immer ungefähr zur gleichen Zeit ins Bett.
- Vermeide am Abend Koffein, Alkohol und Nikotin.
- Schau mindestens zwei Stunden vor dem Zubettgehen nicht in einen Bildschirm. Dessen blaues Licht hält dich wach.
- Lass deine Arbeit, deine Sorgen und Ängste für die Nacht ruhen und nimm sie nicht mit ins Bett.
- Leg dich erst ins Bett, wenn du gleich schlafen willst.
- Sei vorsichtig mit Schlafmedikamenten. Pflanzliche Mittel mit zum Beispiel Baldrian und Hopfen sind unproblematisch. Pharmaka wie Benzodiazepine hingegen können rasch abhängig machen und sollen nur unter ärztlicher Kontrolle im Notfall eingenommen werden.
Wenn du regelmässig und über einen längeren Zeitraum schlecht schläfst und dich am Morgen nicht erholt fühlst, dann suche unbedingt deine Ärztin, deinen Arzt auf! Sie oder er kann dir weiterhelfen und dich allenfalls auch an ein Schlaflabor weiterverweisen.