„Es braucht ein Bundesamt für Daten“
Im Frühling 2014 lancierte der Bund seine Open-Data-Strategie. Seitdem wurde einiges erreicht. Es gibt aber noch Potenzial, erklärt André Golliez, Präsident und Mitbegründer von Open Data.ch.

Herr Golliez, wo steht die Open Data Politik der Schweiz im internationalen Vergleich?
Es gibt jährlich einen Open-Data-Benchmark. Die Schweiz steht auf Platz 22 oder 23. Dies hat verschiedene Gründe. Bis jetzt publizieren wenige Verwaltungen ihre Daten. Die Stadt Zürich ist weit fortgeschritten. Aber im Vergleich mit dem Ausland wird eher wenig publiziert.
Was sollte die Schweiz noch machen?
Die Schweiz muss sicher noch ein Gesetz machen, aber nicht nur. Es braucht auch finanzielle Mittel und einen gewissen Kulturwandel in der Verwaltung. Ich möchte aber betonen, dass die Schweiz in einigen Bereichen, zum Beispiel dem öffentlichen Verkehr, mittlerweile führend ist. Letzten Dezember wurde die Plattform „Open Transport Data“ lanciert. Das ist eine Plattform für offene Daten der SBB, aber auch anderer öffentlicher Verkehrsunternehmungen, mit Fahrplänen und Daten über die Bahnhöfe. Im Vergleich zu anderen europäischen Ländern ist das eine Pionierleistung.
Aktuell fokussiert sich die Open-Data-Politik auf die Offenlegung von Behördendaten. Kann man davon ausgehen, dass in den nächsten Jahren auch Unternehmensdaten offengelegt werden?
Die Behördendaten sind sicher der Kern, aber es gibt Entwicklungen, die darüber hinausgehen. Wir hoffen, dass auch Unternehmensdaten offengelegt werden. Das ist wichtig für die ganze Entwicklung der ganzen Open-Data-Bewegung und -Kultur. Wir haben hier gerade einen wichtigen Meilenstein erreicht. Vor einigen Wochen fanden „Open Food Hackdays“ statt. Dies war das erste Mal, dass wir in den Bereich der offenen Unternehmensdaten vorstiessen. Dazu gibt es seit letztem Dezember die Plattform „Open Food Data.ch“. Da sind bereits Daten über 15 000 Lebensmittel und –produkte frei zugänglich. Allerdings wurden diese Daten nicht direkt von den Unternehmen publiziert, sondern von einem Team der EPFL, welches die Lebensmittelprodukte direkt in den Läden fotografierte und in der offenen Datenbank erfasste.
Welche Massnahmen oder Instrumente braucht man, damit die Daten wiederverwendet werden?
Es braucht erst einmal Leute, die davon etwas verstehen. Die Bildung ist hier wichtig. Man muss verstehen, was Daten sind, wie sie strukturiert sind, was man damit machen kann, welche Instrumente es gibt. Die Data Literacy ist ein wesentlicher Punkt. Tools und Technologien, um mit den Daten umgehen zu können, sind auch nötig sowie eine Community, die sich über den Nutzen dieses Tools austauscht.
Was muss der Bund da unternehmen?
Ich denke, dass der Bund vor allem in die Rahmenbedingungen und in die Infrastruktur investieren muss. Daten sind eine Infrastruktur, vergleichbar mit Strassen, Elektrizität und anderen Netzwerken. Wir haben eine Energieministerin, einen Gesundheitsminister, aber wir haben keinen Datenminister. Wir haben ein Datenschutzgesetz, wir haben das Urheberrecht, ein Öffentlichkeitsgesetz, das Geodatengesetz, aber es gibt keine gesamte Datengesetzgebung. Open Data ist bis jetzt eine Nische.
Sie haben einmal in einer Rede gesagt, dass wir eher ein Datennutzungsgesetz als ein neues Datenschutzgesetz brauchen. Weshalb?
Wir haben auch mit der neuen Datenschutzgesetzrevision eine starke Fokussierung auf die Risiken und die negative Seite der Datennutzung, die es natürlich gibt. Aber was man vergisst, ist quasi das Nutzungspotenzial von Daten, das enorm gross ist. Die Datenschutzgesetzgebung ist in den 70er- und 80er-Jahren entstanden. Es gab damals kein Google, kein Facebook und auch kein Ebay. In der Öffentlichkeit können alle von Daten profitieren. Darum braucht es eine Orientierung auf die Nutzung von Daten. Ich denke, dass es ein Bundesamt für Daten braucht, das sich um die Infrastruktur kümmert, wie es heute das Bundesamt für Verkehr für die Strassen macht.
„Wer die Daten besitzt, hat die Macht“: Was denken Sie über diese Aussage?
Ja klar, wer über die Daten verfügt, hat Macht. Das ist überhaupt das grösste Thema. Das komplementäre Thema zu Open Data ist My Data. Es gibt heute ein Ungleichgewicht in Bezug auf die Kontrolle der Daten. Die Daten sind grossmehrheitlich unter der Kontrolle von grossen Unternehmen und Organisationen, vor allem natürlich von Google, Facebook usw. Die breite Öffentlichkeit, der einzelne Bürger, Kunde oder Patient hält im besten Fall einen kleinen Ausschnitt davon, aber auch dann kann er diese Daten nicht selbständig nutzen. Aber Daten können ohne grossen Aufwand kopiert werden und das bedeutet, dass sowohl die Unternehmen als auch ihre Kunden gleichberechtigt von der Zweitnutzung der Daten profitieren können, ohne sich gegenseitig zu behindern. Dazu braucht es aber das Recht, eine Kopie der Daten zu erhalten, die sich auf meine Person beziehen. Für mich ist dies ein fundamentales Recht. Alle haben einen berechtigten Anspruch auf die Daten, die sie generiert haben.
Interview: Virginie Jaquet

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