Die Tabu-Frage: „Hast du noch Albträume?“
Vor rund 10 Jahren war ABB-Manager Max Göldi in allen Schlagzeilen. Er war völlig unschuldig zwischen die Fronten eines Konflikts zwischen der Schweiz und Libyen geraten. Wie er es erlebt und verarbeitet hat, lesen Sie in diesem Bericht – und ausführlich in einem Buch.

Ehemalige Arbeitskolleginnen und -kollegen, mit denen ich in letzter Zeit Kontakt hatte, wollten von mir unter anderem erfahren, wie es mir heute wirklich geht. Möglicherweise hätte der eine oder andere gerne gefragt, ob ich von Albträumen geplagt werde. Aber Schweizer sind diskret und so eine Frage wird wohl auch deshalb selten gestellt.
Einige Leserinnen und Leser werden sich jetzt wohl fragen, um was es in diesem Artikel eigentlich geht. Nun, erinnern Sie sich noch an den Konflikt, der von Juli 2008 bis Juni 2010 zwischen der Schweiz und Libyen ausgetragen wurde? Libyen führte damals einen unerbittlichen und skurrilen Rachefeldzug gegen die Schweiz. Als ABB Country Manager Libyen bin ich damals unvermittelt zwischen die Fronten geraten und während 695 Tagen zur Geisel von Diktator Muammar Gaddafi geworden. ABB hat zwar weder Aufwand noch Kosten gescheut, um meine Freilassung herbeizuführen, aber der Firma waren die Hände weitgehend gebunden, denn der Konflikt bedingte eine politische Lösung. Bundesbern war also gefragt.
Das Leben auf den Kopf gestellt
Fast zwei Jahre lang in Angst und Ungewissheit leben zu müssen, war eine enorme psychische Belastung. Geholfen hat die Tatsache, dass ich schon damals ein emotional ausgeglichener und positiv denkender Mensch war. Trotzdem hatte ich verschiedentlich Phasen durchlaufen, in denen ich kaum schlafen konnte oder von Albträumen geplagt war. Die Tabu-Frage wäre also durchaus berechtigt.
Der Vergeltungsfeldzug des Gaddafi-Clans gegen die Schweiz hat nicht nur mein Leben, sondern auch das meiner Frau und meiner Angehörigen sowie meine weitere berufliche Laufbahn ziemlich auf den Kopf gestellt. Während der ersten Wochen in der wiedererlangten Freiheit verspürte ich eine grosse Freude, aber gleichzeitig befiel mich auch eine bleierne Müdigkeit. Ich benötigte dringend eine längere Verschnaufpause. Das Management von ABB zeigte grosses Verständnis für meine Situation und stellte mich frei, bis ich mich wieder im Stande fühlte, Neues anzupacken. Nicht zuletzt auch, um dem Medienrummel in der Schweiz zu entfliehen, habe ich mich für eine Stelle bei ABB Japan entschieden.
Nach fünf interessanten Jahren in Tokyo bin ich 2016 in Pension gegangen, wohne aber weiterhin in Asien. Die neugewonnene Freizeit habe ich auch dazu genutzt, mein Libyen-Abenteuer in einem Buch mit dem Titel «Gaddafis Rache» zu erzählen. Das Buchprojekt war ein weiterer Schritt, das Erlebte zu verarbeiten. Ich denke heute noch oft an meine Zeit in Libyen zurück, aber Albträume plagen mich zum Glück keine mehr.
Während meiner «Kriegsgefangenschaft» in Libyen haben sich viele Personen aus der Schweiz auf verschiedenste Weise solidarisch mit mir gezeigt. Es ist schön, dass mein Gastartikel in «Apunto» mir nun die Möglichkeit gibt, ihnen allen ganz herzlich für die damals erlebte Unterstützung danken zu können.
In diesem Sinne, herzlichen Dank!
Max Göldi
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