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Das Online-Magazin der Angestellten Schweiz

Wer Französisch spricht, verdient mehr

Fremdsprachen sind für die Schweizer Wirtschaft zentral. Eine Studie zeigt, dass sie bis zu 10 Prozent zum Bruttoinlandprodukt beisteuern. Keinesfalls nur Englisch, mindestens ebenso wichtig sind Deutsch und Französisch.

„Mehr in die Weiterbildung investieren“, die Forderung der Angestellten Schweiz hat Substanz. Der Strukturwandel bringt es mit sich, Wissen wird immer wertvoller. Gerade Fremdsprachenkenntnisse nehmen in Zeiten der Globalisierung eine Schlüsselfunktion ein. Lange Zeit hatten nur Kader einen wirklichen Bedarf an fremdsprachlichen Kompetenzen. Das hat sich völlig verändert. Im Berufsleben werden Fremdsprachen immer wichtiger. Sie können heute Türen öffnen und Karrierechancen erhöhen.

Nach Professor Grin von der Universität Genf haben sie aber auch direkt Auswirkungen aufs Portemonnaie. Grin ist Wirtschaftwissenschaftler und hat sich eingehend mit der Ökonomie der sprachlichen Kommunikation beschäftigt. In einer Studie hat Grin den finanziellen Wert von Fremdsprachenkenntnissen für den Sprecher evaluiert: Spricht jemand in der Deutschschweiz „gut bis sehr gut“ Französisch, kann er bis zu 15 Prozent mehr verdienen, als sein Mitarbeiter, der kein Französisch spricht; beim Englischen sind es gar 25 Prozent mehr Lohn. Umgekehrt bezahlen sich in der welschen Schweiz Deutschkenntnisse aus: Wer „gutes bis sehr gutes“ Deutsch spricht, kann bis zu 23 Prozent mehr verdienen. Sehr gute Englisch-Kenntnisse ermöglichen dem Romand bis zu 12 Prozent mehr Lohn.

Starke Position des Deutschen

Eigentlich ist es die Zeit des Englischen: Die Hitparaden sind voll englischer Songs und die Kids wollen in der Grundschule nur noch Englisch lernen. François Grin zeigt aber mit seiner Studie die Bedeutung der deutschen und französischen Sprache in der Schweiz. Eine Studie der Fachhochschule Solothurn-Nordwestschweiz (FHNW) doppelt nach: 50 Prozent der Betriebe der Romandie brauchen für ihre Geschäfte jede Woche die deutsche Sprache; nur 36 Prozent brauchen Englisch. In der italienischen Schweiz brauchen gar 68 Prozent der Betriebe Deutsch. Nur gerade in der Deutschschweiz liegen Französisch und Englisch gleich auf; knapp 40 Prozent aller Betriebe verwenden eine der beiden Sprachen regelmässig für betriebliche Zwecke. Die starke Position des Deutschen fällt auf. Die Studie der FHNW sagt warum: Das Tessin und die Romandie sind abhängig von der Deutschschweiz. Andererseits ist Deutschland der wichtigste Handelspartner. Aber nicht nur das wirtschaftliche Zentrum liegt in der Deutschschweiz. Auch das politische Zentrum – das Bundeshaus. Folgen hat dies vor allem für das Italienische in der Schweiz. Deutsch und Englisch werden noch an Bedeutung gewinnen. Das Italienische bekommt zunehmend eine marginale Bedeutung.

 „Jemand, der sehr gut Deutsch und Französisch spricht, ist gesucht in der Schweiz“, sagt auch Beatrix Simmen, 60. Sie kennt den Arbeitsmarkt. Ist Assessmentspezialistin. Und hat Personalrekrutierungen für Novartis, Ciba und Generali gemacht. Die internationalen Konzerne verlangten Englisch. Heute seien Fremdsprachen vom „Sachbearbeiter bis ins Führungskader“ wichtig. Das Anspruchsniveau sinkt aber entsprechend der Anstellung. 75 Prozent der Betriebe erwarten Deutsch (55 Prozent Französisch) für den oberen Kader und nur 37 Prozent (25 Prozent) für das Personal in der Produktion und im Vertrieb, sagt die Studie der FHNW. Trotzdem: Ein Sachbearbeiter in Bern, der in fliessendem Französisch einen Kunden aus Neuchâtel bedient, ist gefragt und gesucht. Fast die Hälfte der Schweizer Betriebe (43 Prozent) haben regelmässigen Kontakt mit fremdsprachigen Partnern. Das Gastgewerbe, die Immobilienbranche, die Informatik, die Banken und Versicherungen sowie die Industrie sind gemäss der Studie besonders auf sprachgewandte Mitarbeiter angewiesen. Auffallend ist aber, dass nur wenige Betriebe auch bereit sind, in die sprachliche Weiterbildung ihrer Mitarbeiter zu investieren. Nur gerade 28 Prozent der Unternehmen leisten einen finanziellen Beitrag an einer sprachlichen Zusatzqualifikation. Die meisten Betriebe erwarten, dass ihre Mitarbeiter die entsprechenden Fremdsprachenkenntnisse bereits mitbringen.

Fremdsprachen und ihr Wert in der Schweizer Wirtschaft

François Grin plädiert für sprachliche Weiterbildungen. Für ihn haben Fremdsprachen in der Schweizer Wirtschaft eine zentrale Bedeutung. Sie gehören neben den klassischen Produktionsfaktoren Kapital, Boden und Arbeit zum sogenannten Humankapital und haben einen bestimmten Wert: Nämlich 50 Milliarden Franken oder 10 Prozent des Bruttoinlandproduktes der Schweiz. Auf diese Zahlen kommen François Grin und sein Forschungsteam aus den Universitäten Genf und Montreal in ihrer Studie (2010). Sie gehen von folgendem hypothetischen Szenario aus: Alle Arbeitskräfte der Schweiz, welche eine oder zwei Fremdsprachen sprechen, erkranken an einer „amnésie linguistique“. Von einem Tag auf den anderen verlieren sie ihre Fremdsprachenkenntnisse. Welchen Einfluss hat diese Amnesie auf die gesamte wirtschaftliche Produktivität in der Schweiz? Dank ausgeklügelten Kombinationen ermittelte das Forschungsteam, dass die Mehrsprachigkeit in der Schweiz circa 10 Prozent zum Bruttoinlandprodukt beisteuert. Wenn demnach alle mehrsprachigen Arbeitskräfte ihre erste oder zweite Fremdsprache „vergessen“, würde das BIP in der Schweiz um 10 Prozente verlieren. Die Auswirkungen seien nicht überall dieselben: „Sie variieren von Branche zu Branche und auch entsprechend der vergessenen Fremdsprache“, sagt Grin. Englisch sei vor allem in der Chemiebranche, dem Finanzsektor oder der Maschinenindustrie wichtig, Französisch und Deutsch in der anderen Industrie oder den Unternehmensdienstleistungen. Weltweit erstmals hat damit ein Forschungsteam beziffert, welchen Gewinn Mehrsprachigkeit einer nationalen Wirtschaft bringen kann. Jeder Franken, der in sprachliche Weiterbildung investiert wird, wirft folglich eine Rendite von 8 bis 10 Prozenten ab. Dies sei „eine sichere Investition“, so Grin. Der Staat solle sich vermehrt um die Pflege und Förderung der Mehrsprachigkeit sorgen: „Betriebe sollten durch Steuererleichterungen ermutigt werden, in sprachliche Zusatzqualifikationen zu investieren. Auf keinen Fall darf nur das Englisch gefördert werden. Französisch und Deutsch sind mindestens ebenso wichtig.“

Reto Liniger

Dienstag, 29. Sep 2015

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