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Das Online-Magazin der Angestellten Schweiz

Wappnen wir uns für die wahre Digitalisierung

Mobile Endgeräte, Algorithmen, kluge Brillen – Sie glauben, das ist die Digitalisierung? Es ist nur die Ouvertüre, sagt Welf Schröter, Vordenker der Digitalisierung beim Deutschen Gewerkschaftsbund. Die richtige Digitalisierung kommt erst mit autonomen Softwaresystemen – und wir müssen uns auf sie vorbereiten.

„Boléro der Arbeitswelt“ – Welf Schröter, Leiter des Forums für Soziale Technikgestaltung beim Deutschen Gewerkschaftsbund DGB, vergleicht die Welle der Digitalisierung, die gerade über uns zu schwappen beginnt, mit dem berühmten Orchesterwerk von Maurice Ravel. Der Boléro beginnt ganz zart und leise und steigert sich bis zum Finale in ein gewaltiges Crescendo.

In den Betrieben hätten wir uns bisher erst mit der nachholenden Digitalisierung beschäftigt, sagt Schröter, der am 31. Januar 2019 auf Einladung der Angestellten Schweiz anlässlich des Events „Arbeitswelt 4.0 – Auswirkungen der Digitalisierung“ sprach. „Die nachholende Digitalisierung bringt vor allem jene IT-Techniken in die Geschäftsmodelle, die in den zurückliegenden Jahren wegen zu hoher Einführungsaufwände und zu geringen Kostenvorteilen auf die lange Bank geschoben wurden“, schreibt er in seinem Blog. Die technischen Innovationen seien schon länger auf dem Markt.

Es geht erst richtig los

Die nachholende Digitalisierung betrachtet der Gewerkschafter als Vorspeise der Digitalisierung. Es sei aber die Digitalisierung hinter der Digitalisierung, die unsere Aufmerksamkeit auf sich ziehen müsse: „Wir dürfen die notwendige Vorspeise nicht mit der Hauptspeise verwechseln.“ Die Hauptspeise sind für ihn die autonomen Software-Systeme (ASS). Darunter versteht er Systeme, die „selbst lernen, selbst entscheiden, sich selbst verändern und selbst rechtsverbindliche Transaktionen hinter dem Rücken des Menschen veranlassen“.

Ihre Nutzung befindet sich gemäss Schröter noch in der Experimentierphase. Das ist aber kein Grund, sich zurückzulehnen. Die Musik des Boléro schwillt stetig an. „Wenn der Takt dieser Systeme die kleinen und grossen Bühnen ergriffen hat, wir der Zeitpunkt für die soziale Gestaltung des Wandels immens“, warnt der Vordenker. „Jene, die den Boléro der sich in diesem Sinn wandelnden Arbeitswelt schon hören durften, sollten sich rasch zusammenfinden, um zum frühestmöglichen Zeitpunkt gestalterisch vorausschauend im Sinne des arbeitenden Menschen einzugreifen.“ Wir sollten den Boléro nicht nur betanzen, sondern bei seiner Aufführung in den Rhythmus und Takt eingreifen.

Vorausschauend handeln

Warum ist das für Gewerkschafter Schröter so wichtig? Ganz einfach: Weil es bei sich selbst verändernden und selbst entscheidenden autonomen Software-Systemen nachträglich nicht geht: „Diese sind – nach dem derzeitigen technischen Stand – nach ihrem Start nicht mehr gestaltbar“, steht in Schröters Blog. Technische, soziale und gesundheitliche Standards müssten somit vor der Nutzung der ASS bereits in der Software verankert werden.

Der deutsche Gewerkschafter plädiert dafür, dass Betriebsräte wie Geschäftsleitungen „vorausschauend analysieren müssen, welche Wirkungen der ASS vermieden werden sollen bzw. müssen“. Die vorausschauend wahrgenommenen Interessen könnten dann ausgehandelt, vereinbart, spezifiziert und vor dem Start der ASS implementiert werden.

Auf diese neuen Herausforderungen seien die Betriebsräte in Deutschland bislang kaum vorbereitet, glaubt Schröter. In der Schweiz sind es die Arbeitnehmervertreter und –verbände sicherlich auch nicht. Machen wir uns also auf die Socken, bevor uns das Crescendo des Boléro der Arbeitswelt einfach überrollt!

Hansjörg Schmid

Montag, 25. Feb 2019

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