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Vom Friedensvertrag zum zukunftsweisenden GAV

Nach mehreren Monaten Verhandlung ist der neue Gesamtarbeitsvertrag der MEM-Industrie unter Dach und Fach. Erfahren Sie in diesem Beitrag, wie der Vertrag entstanden ist und welche neuen Bestimmungen 2018 dazu gekommen sind.

Die Sozialpartner der Maschinen-, Elektro- und Metallindustrie (MEM) haben es geschafft: Sie einigten sich auf einen neuen Gesamtarbeitsvertrag (GAV) der Branche, der am 1. Juli 2018 in Kraft tritt. Der erneuerte GAV ist modern, zukunftsweisend und er bringt den Angestellten vor allem diverse Vorteile. Zum Beispiel die MEM-Passerelle 4.0. Dieses innovative Instrument ermöglicht allen Angestellten, eine zweite Berufsausbildung zu absolvieren, unter anderem in den neuen Berufsfeldern der Branche. Der neue GAV sieht Standortbestimmungen sowie Gespräche zur Laufbahnentwicklung vor und er fördert die Weiterbildung. Diese Massnahmen, welche auf die Arbeitsmarktfähigkeit der Angestellten abzielen, kommen in Zeiten des Fachkräftemangels wie gerufen.

Familie und Beruf besser vereinbaren

Auch die Massnahmen für ältere Angestellte und Frauen machen diesen GAV zu einem zukunftsweisenden Vertrag. Im Artikel 25.4 sind die Unternehmen aufgefordert, die Branche für Frauen attraktiv zu machen und ihnen den Wiedereinstieg ins Berufsleben zu erleichtern. Man denkt hier vor allem an Frauen, die ihre Karriere aus familiären Gründen unterbrechen mussten. In einem anderen Artikel werden die Unternehmen eingeladen, die Einführung flexibler Arbeitsmodelle wie Jobsharing, Homeoffice oder Teilzeit zu prüfen oder anzubieten, die Arbeitszeit zugunsten der Familie oder einer Weiterbildung zu reduzieren. Durch solche Bestimmungen wird die Vereinbarkeit von Beruf und Familie verbessert.

Für Angestellte über 55 und mit mindestens 10 Dienstjahren wurde eine Verlängerung der Kündigungsfrist um einen Monat eingeführt. Die Unternehmen der Branche sind auch angehalten, Instrumente wie Tandems, Jobrotation oder altersbezogene Kurse umzusetzen, um das Potenzial dieser Angestelltenkategorie voll zu nutzen.

Unerschütterliche Errungenschaften

Zusätzlich zur Einführung weiterer Vorteile, welche die Arbeitsbedingungen der Angestellten der Branche verbessern, ist es den Arbeitnehmerverbänden gelungen, die 40-Stunden-Woche trotz starkem Druck seitens der Arbeitgeber zu erhalten. Sie wurde 1983 im GAV der MEM-Industrie eingeführt. „Diese Errungenschaft nach 30 Jahren aufzugeben wäre angesichts der guten wirtschaftlichen Aussichten und der ansehnlichen Gewinne der Branche ein völlig falsches Signal gewesen“, sagt Christof Burkard, Leiter Sozialpartnerschaft bei den Angestellten Schweiz (siehe Medienmitteilung).

Ist die 40-Stunden-Woche die einzige Errungenschaft, welche die Verhandlungen „überstanden“ hat? Wie werden die Bestimmungen des GAV umgesetzt? Welche wurden als erste eingeführt? In den folgenden Abschnitten zeichnen wir die Geschichte des GAV der MEM-Industrie nach.

Friedensvertrag als Ausgangspunkt für bessere Arbeitsbedingungen

Juli 1937: Der Arbeitgeberverband der Maschinenindustrie (ASM) schliesst mit mehreren Arbeitnehmerorganisationen den Friedensvertrag ab. Nicht dabei ist der Vorgänger der Angestellten Schweiz, der Verband Schweizerischer Angestelltenvereine der Maschinen- und Elektroindustrie (VSAM). Die wichtigsten Regeln des Abkommens sind der Verzicht auf Streik, ein Verfahren zur Konfliktbeilegung sowie Vorgaben zur Lohnfindung, zu Ferien und zur Mitwirkung der Angestellten.

Im Laufe der Zeit wurde die Vereinbarung erweitert. 1969 wurde in den Unternehmen zum Beispiel eine fortschrittliche Altersvorsorge eingeführt. Dieses sah teilweise Freizügigkeitsleistungen aus Arbeitgeberbeiträgen bei Austritt aus der Vorsorgeeinrichtung vor der Pensionierung vor. Die Bundesverfassung schrieb damals noch keine berufliche Vorsorge vor.

1988 wurde das Abkommen dadurch gestärkt, dass der ASM, die Gewerkschaften und die Angestelltenverbände, die bisher noch nicht Partner waren, eine gemeinsame Vereinbarung unterzeichneten (siehe Kasten zur Geschichte der Sozialpartnerschaft zwischen ASM und VSAM).

Mit vereinten Kräften

Von jetzt an kämpft die Arbeitnehmerseite mit vereinten Kräften für bessere Arbeitsbedingungen in der Branche. 1993 finden ein Mutterschaftsurlaub von 14 bezahlten Wochen und ein Weiterbildungsfonds Eingang in die Vereinbarung. Fünf Jahre später werden die Jahresarbeitszeit und ein Zeitkonto eingeführt. 2004 wird ein Verfahren im Falle von Lohndumping vorgesehen. Ein so genannter Krisenartikel (Art. 57 des aktuellen GAV) ermöglicht ab 2006, in der Schweiz Arbeitsplätze zu erhalten. Zwei wichtige Errungenschaften sind bei den vorletzten Verhandlungen ein bezahlter fünftägiger Elternurlaub sowie Mindestlöhne.

Auf der Website der Sozialpartner der MEM-Industrie finden Sie weitere Details über die Geschichte des GAV sowie viele nützliche Informationen. Einen modernen, zukunftsweisenden GAV zu schnüren geht für Sozialpartner nicht einfach so von heute auf morgen. Fortschritte haben sich Schritt für Schritt im Laufe der Verhandlungen ergeben, Bestimmungen wurden den Erfordernissen der Zeit angepasst. Das Resultat von 2018 lässt sich ohne Vorbehalte sehen.

Virginie Jaquet

Donnerstag, 28. Jun 2018

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Geschichte der Sozialpartnerschaft zwischen ASM und VSAM

In der MEM-Industrie gilt das Friedensabkommen als Meilenstein in der Sozialpartnerschaft. Andere gehen gerne vergessen, gerade diejenigen, die für die Partnerschaft zwischen Angestelltenverbänden und Arbeitgebern stehen. Nehmen wir zuerst einmal die Berner Übereinkunft von 1918. Sie war die erste umfassende nationale Vereinbarung für die Angestellten, nicht aber die Arbeiter. Unterzeichnet wurde sie unter anderem vom ASM und dem VSAM. Leider hatte sie nur zwei Jahre Bestand. Dann folgten in der Branche mehrere Jahrzehnte ohne gemeinsames Abkommen. Es dauerte bis 1958, bis die Sozialpartner der Branche mit dem Grundsatzabkommen wieder eine formelle Vereinbarung abschlossen. 1971 setzten diese Partner eine Branchenvereinbarung in Kraft, die bis zum gemeinsamen GAV 1988 Bestand hatte.