Mutter sein und Karriere machen: eine unmögliche Herausforderung?
Du hast dich in deinem Unternehmen entwickelt und eine verantwortungsvolle Position übernommen. Zur beruflichen Erfüllung gesellt sich eine persönliche: Du erwartest ein Kind. Für Frauen wandelt sich das Märchen an diesem Punkt ihres Lebens aber oft zum Albtraum: Sie müssen sich zwischen Karriere und Mutterschaft entscheiden.

Eine junge Berufstätige und Mutter erzählt uns von ihrem Alltag mit mehreren Hüten. Marine[1] ist 33 Jahre alt. Nach einer Lehre als Grafikerin und einigen Praktika hat sie eine Stelle als Community Managerin in einem Zürcher Architekturbüro bekommen. Zurzeit jongliert sie zwischen zwei Jobs als Kommunikationsmitarbeiterin an den zwei Standorten Genf und Zürich. Sie nutzt die Zeit, die sie im Zug verbringt, um zu arbeiten.
Am kompliziertesten sind für sie die unregelmässigen Arbeitszeiten. Wenn die Kindertagesstätte nicht flexibel sein kann, muss Marine manchmal ihre Wochenroutine ändern und sich im letzten Moment für Telearbeit entscheiden – um sicherzustellen, dass jemand beim Kind ist.
Unvorhergesehene Krankheiten gehören zum Alltag junger Eltern, insbesondere von Müttern: «Oft ruft die Krippe mich statt meines Partners an. Die Klischees halten sich hartnäckig. Es sind immer noch häufig die Mütter, die berufliche Opfer bringen, um ihre Rolle als Mutter zu erfüllen.»
Flexibilität hat ihren Preis
Solange das Kind noch nicht eingeschult ist, hat es Vorteile, wenn es bei einer Tagesmutter, in einer Betreuungseinrichtung oder Kinderkrippe betreut wird. Mit der Schulpflicht werden die Kinder zu regelmässigen Zeiten beschäftigt und die Eltern müssen ihre Arbeitszeiten entsprechend einteilen. Staatliche, aber auch private Strukturen ermöglichen flexible Arbeitszeiten und einen passenden Beschäftigungsgrad.
Ein Teufelskreis: Mehr arbeiten, um sein Kind weniger zu sehen
Mit der Ankunft ihres Kindes stellte sich für Marine die Frage nach dem Beschäftigungsgrad: Um sich um ihr Kind kümmern zu können, musste sie ihn auf 60 % reduzieren. Die Krippe ist jedoch teuer, und mit dem tieferen Gehalt kann sie ihr Kind nicht drei Tage pro Woche in die Krippe geben.
Immer mehr Unternehmen sind sich der Mutterschaftsproblematik bewusst: Einige bieten eine Verlängerung des Mutterschaftsurlaubs an, der in privaten Einrichtungen bis zu 20 Wochen betragen kann. Weitere Angebote sind eine integrierte Kinderbetreuung oder ein ausserordentlicher Elternurlaub.
Laut dem Bundesamt für Statistik (BFS) waren im Jahr 2021 in der Schweiz 82% der Mütter erwerbstätig. Diese hohe Beteiligung am Arbeitsmarkt geht mit einem hohen Anteil an Teilzeitarbeit einher. Nach der Geburt eines ersten Kindes scheidet eine von neun erwerbstätigen Müttern aus dem Arbeitsmarkt aus und der Anteil der Teilzeitarbeit verdoppelt sich. In der Schweiz liegt der Anteil der Mütter, die am Arbeitsmarkt teilnehmen, über dem europäischen Durchschnitt. Dies sind einige Fakten aus der Publikation «Mütter auf dem Arbeitsmarkt im Jahr 2021» des BFS.
Die Erwerbsquote der Mütter (Frauen im Alter von 25 bis 54 Jahren mit mindestens einem Kind unter 15 Jahren im Haushalt) von 82,0% im Jahr 2021 entspricht einem Anstieg von über 20% in 30 Jahren (1991: 59,6%). Die Erwerbsquote der Väter blieb während des gesamten Zeitraums auf einem sehr hohen Niveau (1991: 98,9%; 2021: 96,9%), obwohl sie um 2% zurückging.
Anne-Valérie Geinoz