Modernisierung des Aktienrechts
Vor zehn Jahren an die Hand genommen, muss die Revision des Aktienrechts noch eine letzte Hürde nehmen: das Parlament. Erfahren Sie in diesem Artikel, was die Revisoion bezweckt.

Seit 2007 will der Bundesrat das Aktienrecht revidieren. Die Rückweisung des ersten Vorschlags durch das Parlament und die Annahme der Abzockerinitiative (Initiative Minder) führten dazu, dass das Projekt überarbeitet wurde. Ein neuer Vorschlag steht nun, er wurde im November 2016 in die beiden Parlamentskammern geschickt.
Das Hauptziel der Revision sei, so schreibt der Bundesrat, das Aktienrecht zu modernisieren. Es soll die Bedürfnisse der Wirtschaft der kommenden Jahre besser abdecken und die Bestimmungen bezüglich übermässiger Vergütungen sollen im Gesetz festgehalten sein. Weiter soll die Transparenz der Geldflüsse im Rohstoffhandel verbessert werden, ebenso die Gleichstellung von Mann und Frau. Um Letzteres zu erreichen sind in börsenkotierten Unternehmen in den Verwaltungsräten und Unternehmensführungen Frauenquoten vorgesehen.
Von der Verordnung ins Gesetz
Der bundesrätliche Vorschlag bringt kaum neue Ideen, um die Minder-Initiative umzusetzen. Es werden lediglich die Bestimmungen der bereits gültigen Verordnung in ein Gesetz umgegossen. Konkret sollen nun die Regeln bezüglich der Vergütungen, der Entschädigungen des Verwaltungsrats und der Unternehmensführung sowie die Abstimmung der Generalversammlung über die Vergütungen und unzulässigen Entschädigungen in den Artikeln 732 bis 735 des Obligationenrechts festgeschrieben werden.
In gewissen Punkten geht das Gesetz doch etwas weiter als die Verordnung. So schlägt der Bundesrat vor, Antrittsprämien zu verbieten, die keinen nachweislichen finanziellen Nachteil ausgleichen. Ein generelles Verbot solcher Prämien ist jedoch nicht vorgesehen. Lediglich Entschädigungen für einen rein hypothetischen Schaden, für einen Verzicht auf eine Tätigkeit, die ein Affektionsinteresse darstellt oder ein «Einstiegsbonus» sind nicht mehr erlaubt. Weiter verlangen die sieben Weisen ein Verbot von Entschädigungen aufgrund eines geschäftlich unbegründeten Konkurrenzverbots. Die Entschädigungen aufgrund eines Konkurrenzverbots dürfen den Durchschnitt der Vergütungen der letzten drei Jahre nicht übersteigen.
Naht das Ende der missbräuchlichen Vergütungen?
Einige Punkte der ersten Fassung des Gesetzes hat der Bundesrat fallengelassen. So wollte er zum Beispiel eine prospektive Abstimmung der Generalversammlung über die variablen Vergütungen verbieten. Eine solche Regelung würde Unternehmen die Planung und die Rektrutierung auf internationalem Niveau erschweren, wurde argumentiert. Der Bundesrat verzichtet auch darauf vorzuschreiben, dass in den Statuten ein maximales Verhältnis zwischen der fixen und der gesamten Vergütung festgelegt werden muss.
Mit der vorliegenden Revison zeigt die Landesregierung einen gewissen Willen, übermässigen Vergütungen einen Riegel zu schieben, wie es die Mehrheit des Schweizer Volks wünscht. Aber reicht es aus, die Bestimmungen der Verordnung gesetzlich festzuschreiben, um der Minderintiative gerecht zu werden? Die Antwort bleibt offen (vgl. Dazu auch den Artikel «Die Abzockerei geht ungebremst weiter»).
Frauen an der Spitze von Unternehmen
Die eigentliche Revolution der Revision ist der Vorschlag des Bundesrates, in den grossen börsenkotierten Unternehmen Untergrenzen bezüglich der Vertretung der Geschlechter in den Verwaltungsräten und Unternehmensführungen einzuführen. In den Verwaltungsräten sollen 30 Prozent Frauen vertreten sein, in den Unternehmensführungen 20 Prozent.
Die Zahlen des 12. Schilling-Reports sind alarmierend: Der Anteil der Frauen in den Verwaltungsräten beträgt lediglich 17 Prozent, in den Unternehmensführungen ist er mit 8 Prozent noch magerer. Die Schweiz liegt in internationalen Vergleich im Rückstand. Gemäss einer Studie von Ernst & Young klassiert sie sich bezüglich der Vertretung von Frauen in Unternehmensführungen auf Rang 56 von 59, bei den Verwaltungsräten auf Platz 42. Gewisse europäische Länder haben bereits Frauenquoten eingeführt, zum Beispiel Norwegen oder Deutschland, aber auch Grossbritannien.
Dort haben sich die Wirtschaftsverbände und die Unternehmen 2011 auf eine Aufforderung durch die Regierung hin auf eine Vertretung von mindestens 25 Prozent in den Verwaltungsräten geeinigt. Hätten die Unternehmen bis 2015 nicht gehandelt, hätte die Regierung via Sanktionsrecht Quoten eingeführt. Das wurde nicht notwendig, stieg doch der Frauenanteil im Zeitraum von 2011 bis 2015 von 12 auf 26 Prozent. Im Gegensatz zur Schweiz funktionierte in Grossbritannien die Selbstregulierung.
Zögerliche Wirtschaft
Wirtschaftsnahe Kreise haben bereits Widerstand gegen die Einführung von Quoten angekündigt, obwohl die vorgeschlagene Regulierung wenig verpflichtend ist. Der Bundesrat sieht nämlich nur das Prinzip «anwenden oder erklären» vor. Der neue Artikel schreibt keine obligatorischen Quoten vor, sondern verlangt nur eine Begründung, falls sie nicht eingehalten werden. Unternehmen, welche die 30 respektive 20 Prozent Frauenanteil nicht einhalten, müssen im Vergütungsbericht dafür Erklärungen liefern. Dazu kommt, dass die Unternehmen für die Umsetzung der Massnahmen fünf (Verwaltungsräte) respektive zehn Jahre (Unternehmensführungen) Zeit haben.
Der Bundesrat hat zwei Wirtschaftshochschulen damit beauftragt, die Folgen einer solchen Massnahme zu untersuchen. Diese kamen zum Schluss, dass die vorgesehene Regelung eine angemessene Einschränkung der Unternehmensfreiheit darstelle, keine signifikanten Mehrkosten verursache und sich nicht negativ auf die Wettbewerbsfähigkeit der Schweiz auswirke. Sie könne hingegen durchaus positive Auswirkungen haben.
Wie wird der Vorschlag nach der Beratung durch die beiden Räte aussehen? Das ist schwierig zu sagen, er wird aber sicher nicht unverändert sein. Es bleibt zu hoffen, dass er von den Wirtschaftskreisen während der parlamentarischen Beratung nicht zu stark torpediert wird und dass ein neues Aktienrecht herauskommt, das transparenter ist, der Gleichstellung der Geschlechter dient und übermässige Vergütungen bremst.
Virginie Jaquet
Die Etappen der Revision
Auf der Website des Bundesamtes für Justiz finden Sie verschiedene Dokumente zu dieser Revision. Zum Beispiel die Ergebnisse der Konsultation oder die Analyse der Auswirkungen der vorgeschlagenen Reglementierung.
Das sagt der Arbeitgeberverband zum Frauenanteil
Der Arbeitgeberverband hat zuhanden der Betriebe einen Code of Conduct publiziert, um den Frauenanteil in den Führungsgremien zu vergrössern.