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Human Resources 4.0

Der erfahrene Polymechaniker Robert hätte nie gedacht, dass sein Bewerbungsdossier an einem Algorithmus scheitern würde. Unternehmen setzen zur Rekrutierung zunehmend neue Werkzeuge wie Algorithmen, Chatbots oder Spiele ein.

Seit 20 Jahren arbeitet Robert als Polymechaniker in einem Unternehmen der Maschinenindustrie. Sein Beruf hat sich verändert, vieles wurde automatisiert und digitalisiert. Robert bedauert diese Entwicklung nicht, er mag den Wandel und sucht stetig neue Herausforderungen. Seine nächste: eine neue Stelle finden. Hatte er sein handschriftliches Motivationsschreiben und den Lebenslauf vor 20 Jahren noch per Post geschickt, erstellt er diesmal ein elektronisches Bewerbungsdossier. Er findet rasch ein Arbeitsangebot, das perfekt zu seinen Qualifikationen passt, und sendet seine Bewerbung.

Rektutieren per Algorithmus

Leider erhält er eine Woche später eine Absage. Er möchte die Gründe dafür erfahren und ruft die Abteilung Human Resources des Unternehmens an, in dem er sich beworben hat. Deren Antwort überrascht ihn. Man erklärt ihm, dass niemand sein Dossier gelesen habe. Ein Algorithmus habe diejenigen Kandidaten ausgesucht, die dem Suchprofil am besten entsprochen hätten. Robert macht sich schlau und findet heraus, dass andere Betriebe gleich vorgehen. Warum?

Zwei amerikanische Psychologen, Nathan Kuncel und Deniz Ones, haben eine Studie zum Thema gemacht. Sie kamen zum Schluss, dass Rekrutierer sehr gut definieren können, welche Anforderungen es für eine Stelle braucht. Sie können auch die Infos aus den Dossiers gut herauskristallisieren. Der Mensch sei jedoch schlecht, wenn es darum gehe, die Resultate zu gewichten. Im Gegensatz zu Algorithmen fokussierten sie häufig auf wenig relevante Aspekte. Der Algorithmus hingegen geht objektiv an die Sache heran. Er verhindert Vorurteile und identifiziert in den Lebensläufen die Elemente, die den Anforderungen des Unternehmens am besten entsprechen.

Virtueller Personalberater

Big Data und neue Technologien spielen eine zunehmend wichtige Rolle im Human Resources Management. Das Beratungsunternehmen Deloitte publizierte kürzlich die Studie «Global Human Capital Trends». Sie befasst sich mit den Auswirkungen der Digitalisierung auf das Management von Humankapital. So wurden zum Beispiel Chatbots wie Wade & Wendy für den Umgang mit Human Resources entwickelt. Wade & Wendy unterstützt auf der einen Seite die Angestellten bei der Karriereplanung und zeigt ihnen Möglichkeiten auf. Auf der anderen Seite soll Wendy den Kandidaten die Unternehmenskultur näher bringen und den Rekrutierungsprozess erklären.

IBM hat den Chatbot CHIP entwickelt. Dieser kognitive Assistent erkennt die 200 von Angestellten am häufigsten gestellten Fragen. Ein Mitarbeiter möchte zum Beispiel wissen, wie es um sein Anrecht auf Ferien steht. Dank CHIP erhält er sofort Antwort, er muss nicht mehr die Human Resources anrufen und warten, bis jemand für die Auskunft verfügbar ist.

Die wichtigsten Player sind dabei

Um Kandidaten zu rekrutieren und zu selektionieren, werden weitere Technologien angewandt. Die Deloitte-Studie verweist auf den Fall von Unilever. Dieser globale Konzern hat einen vierstufigen Rektrutierungsprozess eingeführt. Zuerst müssen die Kandidaten ein mit ihrem LinkedIn-Profil verbundenes Fomular ausfüllen. Danach sind sie aufgefordert, während 20 Minuten verschiedene Spiele zu spielen. Diese dienen dazu, die Problemlösungskapazität der Kandidaten zu testen und sie analysieren deren Persönlichkeit und Kommunikationsverhalten. Wer diese Etappen schafft, wird zu einem Videointerview eingeladen. Unilever nutzt das Programm HireVue, um jedes Interview auszuwerten und die besten Kandidaten für die Stufe vier zu finden. Diese besteht in einem Probetag an der Stelle, für die man sich beworben hat. Am Ende dieses Tages entscheidet sich der Bereichsverantwortlich für oder gegen den Kandidaten.

Die ersten Rückschlüsse über diese neue Rektrutierungsmethode, die das Unternehmen zieht, sind positiv. Aber gilt dies auch für die Kandidaten? Nicht alle fühlen sich mit solchen Methoden wohl: Videointerview, Selektion mittels Algorithmen etc. Manchmal kann ein kleines Detail, eine spezielle Erfahrung den Ausschlag geben für einen von Hunderten von Kandidaten. Für eine Rekrutierungsmaschine mag dieses Detail belanglos sein.

Bislang werden solche neuen Rekrutierungsmethoden noch wenig genutzt. Vielleicht, weil das kleine Detail den Arbeitgebern eben doch wichtig ist.

Virginie Jaquet

Donnerstag, 24. Aug 2017

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Digitale Rekrutierung stösst zunehmend auf Interesse. Die Juni-Ausgabe des Magazins HR Today widmet dem Thema den Schwerpunkt. Im September wird die grösste Messe für Human Resources Management, «Zukunft Personal», das Thema digitale Rekrutierung mittels Chatbot und Big Data aufgreifen.