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Das Online-Magazin der Angestellten Schweiz

Bonus gegen Arbeitsabsenzen

Gut gemeint, aber gefährlich

Zuverlässige Angestellte mit einem Bonus belohnen –klingt gut. Aber nur so lange, bis man die Folgen konsequent durchdenkt.

Lea ist jung, lebenslustig, fit und kerngesund. Grippen und Erkältungen treffen sie so gut wie nie. So kommt sie jeden Tag, den sie nicht frei hat, fröhlich zur Arbeit.

Monika, im mittleren Alter, hat eine Skoliose, eine Verdrehung der Wirbelsäule. Ihr Rücken schmerzt häufig, Sport ist darum nur eingeschränkt möglich und sie schläft oft schlecht. Sie erscheint manchmal müde und etwas ausgelaugt zur Arbeit, ab und zu muss sie einen Tag oder zwei pausieren.

Auch wenn er mit Monikas Leistung ganz zufrieden ist, ärgert sich der Chef immer über sie, wenn er die Arbeit neu verteilen muss, weil sie sich krank gemeldet hat. Bei Lea ist dies nie nötig, denkt er sich. Er überlegt, wie er alle seine Angestellten zu Leas machen könnte und kommt auf eine zündende Idee: Er will diejenigen Angestellten belohnen, die während des ganzen Jahres jeden Tag treu zur Arbeit erscheinen. Da haben alle etwas davon, glaubt er: Der Betrieb hat viel weniger Absenzen, die Arbeitskollegen müssen weniger für andere einspringen und die Zuverlässigen verdienen sich erst noch etwas dazu. Der Chef ist stolz auf seine Idee, ganz besonders darauf, dass er mit dieser Massnahme die Fleissigen belohnt, ohne die anderen zu bestrafen.

Misstrauensvotum gegenüber den Angestellten

Solche oder ähnliche Überlegungen müssen sich die Chefs der Unternehmen IBAarau und der E. Kalt AG gemacht haben, als sie eine Belohnung für Angestellte eingeführt haben, die der Arbeit nie fern bleiben. Scheinbar mit Erfolg, wie in lobenden Beiträgen auf Blick online nachzulesen war. Eine rundum gelungene Sache also?

Wer nicht nur an die Belohnten denkt, kommt zu einem ganz anderen Schluss. „Die Umsetzung dieser Idee ist ein Misstrauensvotum gegenüber den Arbeitnehmern“, sagt Gila Fröhlich, Rechtskonsulentin der Angestellten Schweiz. „Offenbar gehen die beiden im Blick erwähnten Firmen davon aus, dass die Arbeitnehmer der Arbeit unter dem Vorwand fern bleiben, dass sie krank sind, in Tat und Wahrheit aber blau machen.“ Das ist ganz sicher bei den allerwenigsten der Fall! Eine Leserreaktion im Blick lautet denn bezeichnenderweise auch: „Man ‚macht‘ doch nicht krank, man wird es.“

Gefährliche Wirkungen

Es ist nicht davon auszugehen, dass die Mehrheit einer Belegschaft an keinen kleineren oder grösseren Gebrechen leidet und jeder Grippe und Erkältung entgeht. Da kann ein „Blaumacher-Bonus“, wie ihn der Blick salopp nennt, diverse negative Wirkungen entfalten. „Mit einem solchen monetären Anreiz fördert ein Betrieb nur den so genannten Präsentismus“, ist für Gila Fröhlich klar. Mit Sicherheit würden Arbeitnehmende krank zur Arbeit erscheinen. „Dies hat einerseits zur Folge, dass ihre Leistungsfähigkeit in dieser Zeit stark reduziert ist und birgt andererseits die Gefahr, dass andere Mitarbeitende angesteckt werden“, gibt die Rechtskonsulentin zu bedenken. Das senke die Arbeitsmoral im ganzen Betrieb.

Gila Fröhlich macht auf einen weiteren heiklen Punkt aufmerksam: „Ein solcher Bonus eliminiert jede soziale Verantwortung des Arbeitgebers gegenüber den Angestellten, die ernsthafte gesundheitliche Probleme haben oder öfter krank sind als der Durchschnitt.“ Monika in unserem Beispiel ist genau eine solche Person. Wird Lea belohnt und sie nicht, muss sie sich fragen: Warum werden die glücklichen Gesunden belohnt und die anderen gehen leer aus? Sie wird sich zu Recht diskriminiert fühlen und das versetzt ihrer Motivation einen Dämpfer.

So geht es allen, die nicht vom Bonus profitieren. Die Mehrheit der Belegschaft wird also am Schluss nicht motiviert, sondern demotiviert.

Besseres Rezept

Obwohl ein „Blaumacher-Bonus“ aus juristischer Sicht wegen der Vertragsfreiheit im Arbeitsrecht durchaus zulässig ist, findet ihn Rechtskonsulentin Fröhlich „moralisch höchst bedenklich“. Sie kennt eine wirkungsvollere Arznei: „Das beste Mittel gegen das Blaumachen sind eine gute Arbeitsatmosphäre im Betrieb, die Identifikation des einzelnen Mitarbeitenden mit seinen Aufgaben und gut funktionierende Teams, die die Selbstverantwortung jedes einzelnen Mitarbeiters fördern.“ Aber dafür müssen sich Arbeitgeber halt etwas mehr anstrengen als bei der Einführung einer Belohnung gegen Arbeitsabsenzen.

 

Hansjörg Schmid

Dienstag, 16. Jun 2015

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