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Das Online-Magazin der Angestellten Schweiz

Reform Altersvorsorge 2020

Ein Paket für ein nachhaltiges Sozialversicherungssystem

2012 war der Spatenstich: Der Bundesrat eröffnete die Baustelle Altersvorsorge 2020. Drei Jahre später hat der Ständerat das Paket mit einigen Anpassungen als erste Kammer angenommen. Weshalb wurde die Mammut-Reform lanciert? Was bedeutet sie für die Angestellten? Wo stehen wir aktuell? In diesem Artikel erfahren Sie es.

Eine Reform für die nachkommenden Generationen Eine Reform für die nachkommenden Generationen

Drei Jahre intensive Arbeit, Diskussionen und Kompromisse waren nötig, bis die Reform Altersvorsorge 2020 im Parlament die erste Hürde nahm. 2012 lancierte Bundesrat Alain Berset die Reform, um das solide Sozialversicherungssystem der Schweiz weiter zu stärken und zu sichern. Für die Angestellten Schweiz ist klar: Die Reform braucht es. Es ist wichtig, dass sie gelingt. Die Menschen in unserem Land leben immer länger und die Kapitalerträge sind tiefer als erwartet. Ohne eine Reform könnte die Kasse für die Vorsorge bald leer sein.

Wie will die Berset Reform die wirtschaftlichen und demografischen Herausforderungen meistern? Im Zentrum des Pakets stehen der Erhalt des Leistungsniveaus sowie die Sicherung der Finanzierung der beiden Säulen AHV und berufliche Vorsorge. Darum werden gleichzeitig beide Säulen reformiert – aus Sicht der Angestellten Schweiz ein sinnvolles Vorgehen. Auf den folgenden Zeilen erfahren Sie, was die richtungsweisenden Massnahmen der Reform sind und was diese für Sie bedeuten.

Bald arbeiten wir alle regulär bis 65

Der erste Knackpunkt der Reform ist die Erhöhung der Frauenrentenalters. Schon drei Jahre nach dem Inkrafttreten der Reform sollen alle Frauen bis 65 arbeiten. Für die Angestellten Schweiz ist diese Erhöhung des Frauenrentenalters tragbar. Allerdings müssen die Frauen gemäss der Version, wie sie der Ständerat verabschiedet hat, eine bittere Pille schlucken. Die kleine Kammer hat nämlich entschieden, den Koordinationsabzug nur zu senken und nicht abzuschaffen. Der Koordinationsabzug ist der Sockelbetrag, welcher vom AHV-Bruttolohn (massgebender Lohn) abgezogen wird, um den versicherten Lohn zu berechnen. Seine Abschaffung hätte zu einem besseren Versicherungsschutz für Teilzeit-Angestellte geführt, die ja vor allem Frauen sind.

Man sollte eigentlich nicht mehr vom Rentenalter, sondern viel mehr vom Referenzalter 65 sprechen. Wer mit 65 in Pension geht, erhält seine Rente ohne Abzüge oder Zuschläge. Es wird aber auch möglich sein, sich früher oder später pensionieren zu lassen. Dazu wird für Frauen und Männer in beiden Säulen ein flexibler Rentenbezug zwischen 62 und 70 Jahren ermöglicht.

Senkung des Umwandlungssatzes schmälert Renten

Eine unerfreuliche, aber nötige Massnahme ist die Senkung des Mindestumwandlungssatzes in der obligatorischen beruflichen Vorsorge, von 6,8 auf 6 Prozent. Dies führt zu einer markanten Senkung der BVG-Renten, denn mittels des Umwandlungssatzes werden die Renten berechnet. Ein Beispiel zeigt, wie massiv die Auswirkungen sind: Ein Alterskapital von 100 000 Franken wirft bei einem Umwandlungssatz von 6 Prozent nur noch 6000 Franken im Jahr ab, 800 Franken weniger als mit einem Satz von 6,8 Prozent. Um diese Auswirkungen zu kompensieren, hatte der Bundesrat den Verzicht auf den Koordinationsabzug und eine Erhöhung der Gesamt-Altersgutschriften vorgeschlagen. Der Ständerat war damit jedoch nicht einverstanden und zieht folgende Lösungen vor: Vorverschiebung des Beginns des Sparprozesses auf den 1. Januar nach Vollendung des 20 Altersjahres und Erhöhung der Altersgutschriften in der Altersgruppen 35-54 Jahre um 1 Prozent.

70 Franken mehr für Neurentnerinnen und Neurentner

Der Ständerat hat eine Erhöhung der AHV-Renten um 70 Franken für Einzelpersonen und um bis zu 226 Franken für Ehepaare vorgeschlagen, um die Senkung der Renten in der beruflichen Vorsorge auszugleichen. Diese Erhöhung soll nur für Neurentnerinnen und Neurentner gelten. Für die Angestellten Schweiz ist in Bezug auf die Renten der Grundsatz „Fortsetzung der gewohnten Lebenshaltung in angemessener Weise“ entscheidend. Wenn er weiterhin gelten soll, dann müssen massive Senkungen kompensiert werden. Schliesslich ist ja das erklärte Ziel der Reform der Erhalt des Leistungsniveaus und die Sicherung der Finanzierung.

Eine Erhöhung der AHV-Renten ist noch in weiter Ferne. Die Positionen liegen aktuell weit auseinander. Spricht der Arbeitgeberverband von einem unverantwortlichen AHV-Ausbau, sieht der Schweizerische Gewerkschaftbund eine deutliche Verbesserung. Ob der Vorschlag des Ständerats vom Nationalrat angenommen wird, ist schwierig einzuschätzen. Der Nationalrat könnte nach den Wahlen nämlich anders zusammengesetzt sein.

Sicherung einer nachhaltigen Finanzierung

Diverse Faktoren beeinflussen die finanzielle Entwicklung der Säulen 1 und 2: die Anzahl der Personen, welche Beiträge zahlen, die Anzahl der Rentnerinnen und Rentner, die Dauer des Rentenbezuges, die Entwicklung der Kapitalmarktrenditen sowie die Entwicklung der Wirtschaft. Diese Faktoren sind selten vorhersehbar und die finanziellen Perspektiven der AHV und der beruflichen Vorsorge sind nicht eben rosig. Gemäss Szenarien, die in der Botschaft des Bundesrats zur Reform Altersvorsorge 2020 dargestellt werden, wird die Finanzierungslücke im Jahre 2020 in der AHV über 700 Millionen Franken betragen und sie könnte bis 2030 auf 8,3 Milliarden anwachsen. In der beruflichen Vorsorge sind tiefere Renditen zu erwarten. Woher soll das Geld kommen, um die nachhaltige Finanzierung der beiden Säulen zu sichern?

Drei Massnahmen, um das Loch aufzufüllen

Um die Kasse der AHV aufzufüllen, schlägt der Ständerat drei Massnahmen vor: eine Erhöhung der Mehrwertsteuer um 1 Prozent, einen Bundesbeitrag von 19,55 Prozent der Ausgaben der AHV und eine Erhöhung der AHV-Beiträge um 0,3 Prozent (Lohnprozente). Im Gegensatz zum Vorschlag des Bundesrats fällt die Erhöhung der Mehrwertsteuer tiefer aus: 1 Prozent statt 1,5 Prozent. Die Angestellten Schweiz hätten einen höheren Mehrwertsteuersatz begrüsst, denn über die Mehrwertsteuer beteiligen sich auch die Pensionierten an der Finanzierung der Altersvorsorge. Die Belastung wäre so etwas gerechter ausgefallen. Bei der Erhöhung der Lohnpozente von 4,2 auf 4,35 Prozent trifft es nur die aktiv Erwerbstätigen. Diese Erhöhung soll dazu dienen, die vorgeschlagene Erhöhung der AHV-Rente zu finanzieren.

Die Reform muss gelingen

Genügt das, was der Bundesrat und der Ständerat vorgeschlagen haben? Oder werden bald neue finanzielle Mittel nötig? Malen gewisse Politiker zu schwarz? Es ist momentan noch schwierig, diese Fragen genau zu beantworten. Klar ist aber: Ohne nachhaltige Finanzierung wird es für die kommenden Generationen keine Renten mehr geben. Das Paket Altersvorsorge 2020 muss nun weitere hohe Hürden nehmen: Es muss vor dem Nationalrat und dem Volk bestehen. Wie stehen die Chancen?

Nach dem ersten Schritt im Parlament hat es an Kritik nicht gefehlt: „Realitätsfremder Leistungsausbau in der AHV“, „Der Ständerat vergrössert das Finanzloch in der AHV“, „Die vom Ständerat getroffenen Entscheide sind für die Arbeitnehmenden schwer verdaubar" oder „Die Altersvorsorge-Reform ist ein Betrug an den Jungen“ – so lauteten die Kommentare von Medien und Verbänden. Sie mögen ja (teilweise) Recht haben, aber: Es führt kein Weg an der Reform der Altersvorsorge vorbei. Sie ist nicht gratis zu haben, alle müssen zu Kompromissen bereit sein. Die Arbeitnehmenden, die für den Erfolg der Schweizer Wirtschaft ein ganzes Berufsleben lang gearbeitet haben, verdienen eine gute Rente.

Die Angestellten Schweiz rufen die Politikerinnen und Politiker von Links bis Rechts dazu auf, sich bei der weiteren Beratung der Reform Altersvorsorge 2020 die folgenden Fragen stets vor Augen zu halten: Für wen wird die Reform gemacht und umgesetzt? Wer muss sie bezahlen? Die nachkommenden Generationen werden den heutigen Entscheidern zweifellos dankbar sein, wenn sie diese zwei Fragen in einer lang- und nicht in einer kurzfristigen Perspektive beantworten. Die Reform darf nicht einzig dazu führen, dass die in den Ruhestand tretende Baby-Boomer-Generation einen schönen Lebensabend hat. Für die Angestellten Schweiz muss die Reform vor allem auch dem Erhalt des Generationenvertrags dienen. Erst wenn sie nachhaltig ist, ist sie gelungen.

Virginie Jaquet

Dienstag, 06. Okt 2015

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