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Das Online-Magazin der Angestellten Schweiz

Die wirtschaftlichen Folgen der Coronapandemie

Wird die Wirtschaft nach der Coronapandemie wieder völlig genesen oder wird sie bleibende Schäden davontragen? Die Angestellten Schweiz wagen eine erste Einschätzung.

Die Wirtschaft wurde von der Coronapandemie unterschiedlich, teilweise aber sehr hart getroffen. Sei es direkt durch die Coronamassnahmen, sei es, weil die Handelswege beeinträchtigt wurden oder die Exporte einbrachen. Kein Wunder, fürchteten sich in einer Umfrage der Angestellten Schweiz zu den Folgen der Pandemie mehr Personen stärker vor den wirtschaftlichen Folgen als vor der Krankheit selber.

Wie schlimm ist es gekommen und wie wird sich die Situation weiterentwickeln?

MEM-Industrie erholt sich bereits

«Die Covid-Pandemie hat im vergangenen Jahr in der Schweizer Maschinen-, Elektro- und Metallindustrie deutliche Spuren hinterlassen. Im Vergleich zu 2019 reduzierten sich die Auftragseingänge um 6,5%, die Umsätze um 9,8% und die Exporte um hohe 11,2%.» Dies sagt Ivo Zimmermann, Leiter Kommunikation und Mitglied der Geschäftsleitung von Swissmem. Gleiches konstatiert Alexander Bélaz, Vizepräsident der Angestellten Schweiz und Präsident der Mitgliedorganisation Angestellte ABB. Einen wichtigen Grund sieht er in der gesunkenen Exportnachfrage aus dem Ausland.

Trotz des starken Einbruchs sind sowohl Alexander Bélaz als auch Ivo Zimmermann für die MEM-Industrie verhalten optimistisch. «Die globalen Lockerungen der Covid-Eindämmungsmassnahmen führten in der MEM-Industrie bereits im zweiten Halbjahr 2020 zu einer allmählichen Erholung der geschäftlichen Lage», stellt Ivo Zimmermann fest. Alexander Bélaz nennt diverse Gründe, warum die Auswirkungen in der zweiten Welle weniger stark waren: «Erstens sind die gegen die Verbreitung des Virus ergriffenen Massnahmen diesmal weniger strikt und zielgerichteter. Zweitens sind sowohl die gesundheitlichen als auch die wirtschaftlichen Schutzmassnahmen bereits in Kraft und bekannt. Zudem haben Privathaushalte und Unternehmen gelernt, ihre Aktivitäten «coronakonformer» zu gestalten.» Nicht zuletzt sei dank der Impfungen ein Ende der Pandemie absehbar. Das sehen offenbar auch die meisten Unternehmer*innen der MEM-Industrie so, was bei der Swissmem zur Hoffnung Anlass gibt, «dass sich die Erholung 2021 weiter beschleunigt».

Davon geht auch BAK Economics aus. Das Wirtschaftsforschungsinstitut prognostiziert für die MEM-Industrie im Branchenmonitor im Apunto vom Februar 2021 für dieses und das nächste Jahr ein überdurchschnittliches Wachstum der realen Bruttowertschöpfung von 9,3% bzw. 6,1%.

Sehr unterschiedlichliche Betroffenheit

Die Pandemie hat die MEM-Industrie heftiger getroffen als die ebenfalls stark exportorientierte Branche Chemie/Pharma, die lediglich eine Abschwächung des Wachstums in Kauf nehmen musste. Die Pharmaindustrie profitierte von der verstärkten Nachfrage nach Covid-19-Diagnoseprodukten und -medikamenten.

Viele andere Branchen wurden aber ins Mark getroffen. Alexander Bélaz nennt insbesondere die Kultur- und Eventbranche, die Gastronomie- und Hotellerie sowie die Reisebranche. Eher profitiert haben dürften in seiner Einschätzung der Detail- und der Online-Bereich des Elektronikhandels. Er weist auf einen wichtigen Effekt hin: «Leidet beispielsweise die Eventbranche, so leiden die Zulieferbranchen ebenfalls – z.B. Anbieter von Bühnentechnik oder Cateringfirmen.»

Emilie Etesi ist Arbeitskraftunternehmerin, Vorstandsmitglied der Angestellten Schweiz und Gründerin von e-squared. e-squared beschäftigt sich mit Team- und Community-Building, Innovation und Coworking. Emilie Etesi hat den Blick darum vor allem auf Start-ups und KMU. Dort, so stellt sie fest, hat Covid-19 teilweise alles auf den Kopf gestellt. Da kleine Unternehmen jedoch agil reagieren können, kennt Emilie Etesi «schöne Beispiele, wo Corona das Geschäft zwar total kaputtgemacht hat, wo aber die Fähigkeiten für etwas ganz Neues eingesetzt werden konnten». So das Event-Unternehmen «fernblau», das ihre Kompetenzen statt für Sportanlässe für die Pojektleitung der repetititven Massentests (45 000 Test pro Woche) zur Verfügung stellte.

Die Wirtschaft erholt sich schneller als die Arbeitsplätze

Wenn uns keine dritte oder gar vierte Coronawelle einen Strich durch die Rechnung macht, dürfte sich die Wirtschaft recht gut erholen – mit den weiteren Öffnungen hoffentlich auch in den Branchen, die aktuell noch stark eingeschränkt sind. Emilie Etesi geht allerdings davon aus, dass es etwas dauern könnte: «Die Batterien sind leer und momentan schwierig, aufzuladen.» Für Ivo Zimmermann hängt die Erholung auch von den Impfkampagnen in der Schweiz ab. «Je schneller und effektiver diese erfolgen, desto schneller erholt sich das Investitions- und Konsumklima», betont er. Gewisse Industriesektoren und der Export nach China hätten bereits das Vorkrisenniveau erreicht, andere Bereiche und Europa bräuchten länger. Wie schnell die Erholung in Branchen wie der Gastronomie oder Kultur vonstattengehen wird, wird sich weisen.

Was aber zum Leidwesen der Angestellten mit Sicherheit gesagt werden kann ist, dass es länger dauern wird, bis das Wachstum auf die Arbeitsplätze durchschlägt. Der Aufschwung bei den Arbeitsplätzen hinkt dem wirtschaftlichen Aufschwung immer hinterher. BAK Economics prognostiziert für die Gesamtwirtschaft denn für das laufende Jahr auch einen Rückgang der Arbeitsplätze um 0,5%. Für die MEM-Industrie dürfte er noch etwas höher ausfallen, 2022 soll es dort dafür dann einen überdurchschnittlichen Aufbau geben. Dies erwartet auch Ivo Zimmermann: «Die Erfahrung aus vergangenen Krisen zeigt, dass Industriefirmen sehr schnell wieder Jobs schaffen, wenn der Aufschwung einsetzt.

Für Alexander Bélaz ist es schwierig, eine Prognose abzugeben, weil viele Angestellte noch in Kurzarbeit seien. Er fragt sich, ob die Betriebe genügend Bestellungen erhalten werden, um sie alle behalten zu können. Der Vizepräsident der Angestellten Schweiz geht davon aus, «dass wir auch im nächsten Jahr mit einer Arbeitslosigkeit zwischen 3 und 4% rechnen müssen».

Emilie Etesi sieht in einem möglichen Boom der Start-up-Szene eine grosse Chance für Arbeitsplätze, «vielleicht mit einem verstärkten Blick auf den Menschen und Sinnhaftigkeit». Für die Unternehmerin hat die Pandemie auch aufgedeckt, dass die Menschen nicht immer zur Arbeit pendeln müssen. «Eine Studie von Deloitte hat gezeigt, dass fast 50% der Arbeitskräfte ausserhalb ihrer Büros genauso produktiv arbeiten können, was die Möglichkeit eröffnet, in lokalen Coworking-Spaces zu arbeiten.» Dies spare den Unternehmen nicht nur Kosten, sondern mache die Mitarbeitenden glücklicher und erhöhe die Chancen für Innovationen, wenn sich die Leute ausserhalb ihrer Firmen-Bubble austauschen.

Innovativ, flexibel und solidarisch bleiben

Emilie Etesi schätzt, dass viele Menschen in der zweiten Welle der Pandemie passiver geworden sind. In der ersten sei noch viel Neues ausprobiert worden, man habe innoviert. Sie glaubt aber, dass dies wieder kommt. Wir seien von Natur aus mit einem «Überlebensmodus» ausgestattet und in der Natur entwickle sich sowieso alles weiter.

Alexander Bélaz glaubt nicht so sehr, dass die Pandemie in der Wirtschaft bleibende Schäden hinterlassen wird als vielmehr «Veränderungen, wie und wo wir arbeiten». Solche erwartet er insbesondere in Branchen wie der Gastronomie, wo bis zu 40% der Betriebe nicht mehr öffnen könnten: «Dies hat Auswirkungen auf die Attraktivität der Branche. Werden noch genügend Fachkräfte vorhanden sein, junge Menschen noch Berufe in der Gastronomie erlernen wollen?», fragt sich Bélaz.

Die MEM-Industrie dürfte gemäss Ivo Zimmermann unbeschadet aus der Krise kommen, «sofern der Staat nicht mit Steuererhöhungen oder anderen Regulierungen und  Einschränkungen die Erholung der Wirtschaft behindert». Swissmem hat klare politische Forderungen wie: keine Aufweichung der Schuldenbremse, Aufhebung der Industriezölle und Abschluss weiterer Freihandelsabkommen.

Die Schweizer Wirtschaft hat in ihrer ganzen Unterschiedlichkeit in der Krise bewiesen, dass sie stark und widerstandsfähig ist. Dies dank der grossen Flexibilität der Unternehmen wie der Berufstätigen, der Innovationskraft, der Wettbewerbsfähigkeit – und nicht zuletzt dank der Solidarität und Loyalität zwischen Arbeitgeber*innen und Arbeitnehmer*innen. Darauf wird sie bis zum Ende der Pandemie und in der nächsten Krise bauen können.

Hansjörg Schmid

Dienstag, 27. Apr 2021

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