JavaScript ist in Ihrem Browser deaktiviert. Ohne JavaScript funktioniert die Website nicht korrekt.
Das Online-Magazin der Angestellten Schweiz

«Die Arbeitswelt ist kaputt» – schaffen wir eine bessere!

«Die Arbeitswelt funktioniert nicht mehr und wir brennen aus.» Diese Diagnose stellt die Journalistin und Digitalstrategin Sara Weber. Jetzt ist für sie der Zeitpunkt, eine bessere Arbeitswelt zu schaffen. Für uns und den Planeten.

Sara Weber hatte als Redaktionsleiterin bei LinkedIn Deutschland einen Job, den sie liebte. Trotzdem kündigte sie ihn 2021. Warum?

«Weil ich ausgebrannt war», begründet die ausgebildete Journalistin ihren Schritt. «Von der Arbeit. Vom Streben nach immer mehr Produktivität. Von meiner ‘Karriere’. Von der Welt um uns herum».

Sara Weber setzte sich hin und schrieb ein Buch. In «Die Welt geht unter, und ich muss trotzdem arbeiten?» geht sie der Frage nach, warum es so vielen Menschen so geht wie ihr. Und wie man es besser machen könnte.

In vielen Berufen sind die Arbeitsbedingungen schlecht

Im Vergleich zu anderen Berufsgruppen war Sara Weber in einer privilegierten Situation. Im Buch schildert sie eindrücklich die Arbeitsbedingungen in der Pflege: Akuter Personalmangel, riesiger Druck, Stress, lange Nachtschichten – und dies für wenig Lohn. Dabei wissen wir doch spätestens seit Corona: die Pfleger*innen sind systemrelevant.

Als weiteres Beispiel für Berufstätige mit schlechten Arbeitsbedingungen nennt Weber Plattform-Worker. Sie liefern als Scheinselbständige Essen aus oder fahren Taxi – ohne Auftragsgarantie und soziale Absicherungen.

Machen wir so weiter, droht in vielen weiteren Berufen eine Verschlechterung der Arbeitsbedingungen. Immer mehr Lehrer*innen zum Beispiel geraten in ein Burnout.

Mehr Stress, mehr psychische Krankheiten

Sara Weber stellt eine klare Diagnose: «Die Arbeitswelt ist kaputt». Das mag überspitzt klingen, aber näher betrachtet deutet vieles darauf hin, dass sich die Lage stets verschlimmert.

So bringt jede neue Befragung in der Schweiz zutage, dass der Stress am Arbeitsplatz weiter zunimmt. Gleiches gilt für die psychischen Erkrankungen.

Die Menschen, die krank werden, Quiet Quitting machen oder aus Frust den Job hinschmeissen, fehlen dann auf dem Arbeitsmarkt. Quiet Quitting bedeutet: Jemand beschliesst, bei der Arbeit nur noch genau das Verlangte, das Minimum zu tun.

Mit Resilienz- und Motivationskursen ist es nicht getan

Bei Angestellte Schweiz steigt die Nachfrage nach Kursen zur besseren Bewältigung von Druck und Stress am Arbeitsplatz – auch das ein Hinweis, dass die Situation in der Arbeitswelt angespannt ist.

Kurse für bessere Arbeitsmethoden, Motivation oder eine stärkere Resilienz sind gut und nützlich, aber sie lösen aus Sicht von Sara Weber das Problem der kaputten Arbeitswelt nicht. Aus ihrer Sicht sind nicht die einzelnen Berufstätigen schuld an der Misere, sondern das System.

Das Burnout-Fachkräftemangel-Dilemma

Wir stecken im Dilemma. Einerseits sind viele berufstätige von der Arbeit ausgelaugt und ausgebrannt. Andererseits fehlen an allen Ecken und Enden Arbeitskräfte. Der Fachkräftemangel ist so akut, dass er unsere wirtschaftliche Leistung bremst und im Fall des Pflegenotstands unsere Gesundheit bedroht.

Müssen wir also noch mehr arbeiten, was uns wiederum noch kränker macht? Wie finden wir aus dem Dilemma? Sara Weber macht im Buch dazu eine umfassende Analyse und schlägt gangbare Wege vor.

Produktivität steigern – mit weniger Arbeiten

Eine mögliche Lösung klingt auf den ersten Blick paradox: 4 statt 5 Tage arbeiten bei gleichem Lohn. Das funktioniert! Laut Sara Weber hat Island mit einer Verkürzung der Arbeitszeit positive Erfahrungen gemacht. Die Berufstätigen sind weniger krank und Mütter werden motiviert, wieder in die Arbeit einzusteigen.

Der Berner Betrieb Huggystudio hat die Probe aufs Exempel gemacht und die 4-Tage-Woche erfolgreich umgesetzt: «Wir konzentrierten uns auf weniger Ziele und weniger Dinge und automatisierten Prozesse», sagt Geschäftsführer Daniel Abebe. «Dadurch konnten wir fokussierter und zielgerichteter arbeiten und die Produktivität steigern. Jetzt haben wir weniger Stress und mehr Erfolg.»

Neben angemessenen Arbeitszeiten fordert Sara Weber eine Reihe von Dingen, für die sich auch Angestellte Schweiz aktiv einsetzt:

  • Arbeitnehmerfreundliche Arbeitszeiten
  • Genügend Ferien
  • Gute Arbeitsplatzgestaltung
  • Wertschätzung
  • Sichere Jobs
  • Faire Löhne
  • Weiterbildungsmöglichkeiten
  • Gute Sozialleistungen
  • Möglichkeit, im Home-Office zu arbeiten
  • Vereinbarkeit von Beruf und Familie
  • Bessere Kindebetreuungsangebote
  • Die Chancen der Digitalisierung nutzen
  • Integration aller Bevölkerungsgruppen in den Arbeitsmarkt, insbesondere auch von Menschen mit Beeinträchtigungen
  • Sinnhafte, auf Werten basierende Arbeit
  • Engagement von Unternehmen für das Klima und den Schutz der Umwelt

All dies trägt dazu bei, dass Menschen wieder lieber arbeiten und dabei gesund bleiben.

Angestellte sitzen am längeren Hebel

Für Angestellte Schweiz ist klar: Unternehmen, die sich für das Wohl ihrer Angestellten einsetzen, werden es viel einfacher haben, Arbeitskräfte zu finden als Unternehmen, denen es einzig um den Profit geht. Mit dem Fachkräftemangel, der gemäss Prognose von Dynajobs und Angestellte Schweiz lange nicht verschwinden wird, sitzen die Arbeitnehmenden wieder am längeren Hebel. Sie können wählen, zu welchen Bedingungen sie arbeiten möchten. Vielen Arbeitgebern ist dies wohl noch nicht so bewusst.

Jetzt müssen Angestellte Druck machen

Sara Weber findet darum, dass für die Angestellten genau jetzt der Zeitpunkt ist, sich (wieder) zu organisieren und für bessere Arbeitsbedingungen stark zu machen: «Wir haben während der Corona-Krise gesehen, dass sich die Arbeitswelt verändern uns anpassen kann, wenn der Druck genug hoch genug ist. Jetzt sind wir es, die den Druck erhöhen müssen.»

Mach auch du mit, gemeinsam mit Angestellte Schweiz! Wenn du noch kein Mitglied bist, fülle jetzt das Mitgliedschaftsformular aus. Wenn du schon Mitglied bist: Überzeuge deine Arbeitskolleg*innen, Mitglied zu werden.

Finanzielle Absicherung mit Grundeinkommen

Mit dem Engagement der Angestellten und der Angestelltenorganisationen ist eine Arbeitswelt, in der alle glücklich und zufrieden sind, noch nicht ganz zu schaffen, stellt Sara Weber fest. Wir müssten als Gesellschaft noch eines sicherstellen: «Die finanzielle Absicherung von allen». Dazu könne ein Grundeinkommen dienen.

Das Grundeinkommen dürfte die Politik schneller wieder beschäftigen, als wir es wohl erwartet haben. Ob wir es in der Schweiz schaffen, Vorreiter zu werden?

Hansjörg Schmid

Dienstag, 21. Feb 2023

Zurück zur Übersicht

Teilen:

So setzt sich Angestellte Schweiz für bessere Arbeitsbedingungen ein

Angestellte Schweiz setzt sich auf verschiedenen Ebenen für gute Arbeitsbedingungen ein: