Die Angestellten Schweiz fordern 0,5 bis 1,2 Prozent mehr Lohn
Die Situation in einigen Branchen ist wegen der Euro Schwäche heikel bis bedrohlich. Trotzdem gibt es Spielraum für Lohnerhöhungen. Als Massnahmen gegen den Fachkräftemangel und die drohende Desindustrialisierung fordern die Angestellten Schweiz, mehr Investitionen in Weiterbildungen und in Teilzeitarbeit.
Die Lohnrunde ist eingeläutet: Die Angestellten Schweiz fordern für ihre Fokus Branchen mehr Lohn: Für die MEM-Industrie bis zu 0,5 Prozent und für die Chemie/Pharmaindustrie bis zu 1,2 Prozent. „Trotz der widrigen Wechselkurssituation gibt es gute Gründe für moderate Erhöhungen der Angestelltenlöhne“, sagt Stefan Studer, Geschäftsführer der Angestellten Schweiz.
Positive Konjunkturdynamik zu spüren
Bei seinen Forderungen stützt sich der Verband u.a. auf entsprechende Branchenprognosen der BAK BASEL Economics AG. Ganz grundsätzlich kann von einem sich nachhaltig erholenden globalen Umfeld ausgegangen werden. In den USA und der Eurozone ist positive Konjunkturdynamik zu spüren. Die Auftragsbücher der Unternehmen der Schweizer MEM-Industrie seien wesentlich besser gefüllt als in den Jahren der Finanz- und Wirtschaftskrise, so BAKBASEL. Ein weiteres wesentliches Argument für Lohnerhöhungen ist der Fachkräftemangel: Gewisse Arbeitsmarktsegmente sind auf sehr spezialisierte Fachkräfte angewiesen. Im internationalen Wettbewerb um hochqualifizierte Arbeitskräfte herrscht in diesen Segmenten ein Fachkräftemangel, welcher für höhere Stundenlöhne spricht. „Besonders in der MEM-Industrie haben viele Angestellte in den letzten Monaten Mehrarbeit geleistet. Eine bescheidene Lohnerhöhung ist eine überfällige Motivationsspritze“, sagt Studer.
Erhalt der Arbeitsplätze oberstes Gebot
Die Branche Chemie/Pharma generiert weiterhin eine überdurchschnittliche Bruttowertschöpfung. Gerade die Pharma-Industrie dient als Zugpferd der nationalen Wirtschaft. Laut BAKBASEL hat sich in der chemisch-pharmazeutischen Industrie die Lohnquote zwischen 2000 und dem konjunkturellen Höhepunkt 2010 stets zu Ungunsten der Arbeitenden entwickelt. Seit 2010 hat keine vollständige Kompensation der ungünstig entwickelten Lohnquote (2000-2010) stattgefunden – was ebenfalls für eine durchschnittliche Lohnerhöhung spricht.
Einiges deutet darauf hin, dass in den kommenden Monaten der Euro/Frankenkurs auf den Arbeitsmarkt drücken wird. Für die Angestellten Schweiz ist der Erhalt der industriellen Arbeitsplätze oberstes Gebot. Entsprechend fordern die Angestellten Schweiz keine flächendeckenden Lohnerhöhungen. Jedes Unternehmen und jede Subbranche ist unterschiedlich vom starken Franken betroffen: Die Löhne in den einzelnen Betrieben sollen mit Augenmass ausgehandelt werden.
Weiter fordern die Angestellten Schweiz die Arbeitgeber auf, mehr in die Weiterbildung ihrer Angestellten zu investieren und mehr Teilzeitstellen anzubieten. Teilzeitstellten ermöglichen das inländische Potential an Arbeitskräften optimal auszuschöpfen. Zudem tragen sie den veränderten Geschlechterrollen Rechnung. Die Förderung der Weiterbildung spielt im Kampf gegen die Deindustrialisierung eine zentrale Rolle. Denn Innovation ist die Basis für die Zukunft des Industriestandortes Schweiz. Die Industrie 4.0 bietet viele Chancen, dafür braucht es aber neue Fähigkeiten und Wissen. Die Angestellten Schweiz fordern auch die Arbeitnehmenden auf, in ihre Weiterbildung zu investieren. Heute müssen sie verstärkt selber Verantwortung für ihre Arbeitsmarktfähigkeit übernehmen.
Forderungen an die Politik
Angesichts der brennenden Probleme darf nicht vergessen gehen: Es gibt einen Lebensabschnitt nach der Arbeit. Die in der Verfassung garantierte Fortsetzung der gewohnten Lebenshaltung ist wegen der Alterung der Bevölkerung gefäh rdet. Die Angestellten Schweiz fordern deshalb die Politik auf mehrheitsfähige Lösungen gegen die demografische Falle zu finden und damit die Sozialwerke nachhaltig zu sichern.
Reto Liniger
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