Die Abzockerei geht ungebremst weiter
Mehr als drei Jahre sind seit der Annahme der Abzocker-Initiative vergangen und noch immer beziehen viele Manager astronomische Gehälter. Ist der Volkswille bereits vergessen?

23 Prozent Sergio Ermotti, 18 Ulrich Spiesshofer, 22 Yves Serra: So viel mehr haben diese drei CEO im Jahr 2015 mehr verdient als 2014. UBS-Chef Ermotti kam auf 14 Millionen Franken, der ABB-CEO Spiesshofer verdiente gegen 8 Millionen und der Spitzenmann von Georg Fischer, Yves Serra brachte es immerhin noch auf 2 Millionen. Das sind nur drei aus vielen Beispielen.
Im vergangenen Juni publizierte Travail.Suisse die Resultate der zwölften Erhebung der Saläre der Spitzenmanager – die Resultate sind unerfreulich. Der Dachverband stellte nicht nur einen Sprung der hohen Saläre nach oben fest, sondern eine weitere Öffnung der Lohnschere. Einige verdienen jedes Jahr mehr, während andere mit stagnierenden oder sogar sinkenden Löhnen leben müssen. Die Schweizer Stimmbürger haben an der Urne eigentlich kundgetan, dass sie davon die Nase voll haben.
Grosse Unterstützung ohne Wirkung
Mehr als zwei Drittel der Abstimmenden unterstützten im März 2013 die Abzocker-Initiative von Thomas Minder. Deren Ziel war, den exzessiven Vergütungen der Unternehmensführungen der börsenkotierten Unternehmen einen Riegel vorzuschieben. Eine grosse Mehrheit von rund 70 Prozent der Mitglieder der Angestellten Schweiz stand hinter dem Anliegen des Schaffhauser Ständerats. Dies brachte eine Umfrage des Instituts gfs.bern vor der Abstimmung zutage.
Drei Jahre später ist der Befund negativ. Der Bundesrat erliess, während die Revision des Aktienrechts im Gange ist, eine Verordnung gegen übermässige Vergütungen (VegüV) bei börsenkotierten Unternehmen. Trotzdem werden munter weiter astronomische Vergütungen ausgerichtet. In der Vernehmlassung zur Verordnung unterstrichen die Angestellten Schweiz, dass diese zwar ein gutes Instrument sei, aber nicht geeignet, das Problem der hohen Saläre zu lösen.
Die am 1. Januar 2014 in Kraft getretene VegüV schreibt vor, dass in den Statuten unter anderem Folgendes festgeschrieben sein muss: die maximale Anzahl Mandate der Verwaltungsräte und der Unternehmensführung sowie die Modalitäten der Abstimmung über die Vergütungen an der Generalversammlung. Im Vergütungsbericht müssen zudem die ausbezahlten Vergütungen aufgeführt werden.
Ernüchternde Bilanz
Im Oktober 2015 publizierte die Stiftung Ethos eine Studie über die Umsetzung der Minder-Initiative. Die Bilanz ist ernüchternd. Gemäss der Studie haben 60 Prozent der Swiss-Performance-Index-Unternehmen in ihren Statuten noch keine Grenze der variablen Vergütungen festgelegt, wie es die VegüV vorsieht. 55 Prozent haben auch keine maximale Anzahl der Mandate ihrer Verwaltungsräte fixiert – auch das steht im Widerspruch zum VegüV.
Was aber wirklich empört ist die Tatsache, dass 72 Prozent der Unternehmen prospektiv (d.h. im Voraus) über die Vergütung der Unternehmensführung abstimmen lassen, also bevor die Unternehmensresultate bekannt sind. Dazu kommt, dass diese Vergütungen fast immer mit hoher Zustimmungsquote angenommen werden (oft mehr als 90 Prozent). Dies entspricht nicht dem Geist der Minder-Initiative. Die Beispiele zeigen, dass die Abzocker-Initiative noch kaum umgesetzt ist.
Die Bilanz ist aber nicht nur negativ. Trotz der Mängel gab es in den letzten Jahren einige Verbesserungen. Ethos stellt mehr Transparenz fest und beobachtet, dass die Generalversammlungen besser besucht sind. Der Bundesrat kann bei der Revision des Aktienrechts die Schraube noch anziehen. Bisher sieht es allerdings gar nicht danach aus. In einer Medienmitteilung im Dezember 2015 kündigte er an, das Verbot der Abstimmung über die Vergütung im Voraus aufheben zu wollen. Der Minder-Initiative scheint der Geist ausgehaucht zu werden.
Virginie Jaquet