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Das Online-Magazin der Angestellten Schweiz

Arbeiten ohne Chef

Das Orchester und sein Dirigent

„Würden Sie lieber ohne Chef arbeiten?“ Diese etwas provokative Frage stellten wir in unserem Newsletter vom August. Einige Leser fanden: Ja. Aber ist das überhaupt umsetzbar? Vielleicht nicht. Es brauche aber in den Betrieben mehr Teilnahme an der Führung und mehr Zusammenarbeit, findet die Arbeits- und Organisationspsychologin Tanja Wranik.

Eine betriebsrelevante Entscheidung wird wohl auch in Ihrem Unternehmen nicht in zwei Minuten getroffen, sondern in zwei Wochen. So lange dauert es, bis sie die Hierarchie rauf, vom kleinen bis zum ganz grossen Chef, gegangen ist und alle ihre Meinung abgegeben haben. Die Folge davon: Nichts geht voran und niemand übernimmt Verantwortung. Nun gibt es Management-Modelle, welche die Lösung darin sehen, die Chefs abzuschaffen. Aber funktioniert das? Kann man die Chefs einfach aufs Abstellgleis schieben?

Die Holakratie – ein von einem amerikanischen Unternehmen verkauftes Konzept – schlägt ein System ohne Chef vor. Die Hierarchie im Unternehmen wird durch eine Kreise-Struktur ersetzt. In jedem Kreis sind für alle Angestellten Rollen definiert. Diesen Rollen werden Aufgaben zugeteilt. In den Kreisen können die Rollen unabhängig Entscheide über ihre Aufgaben fällen. In jedem Kreis gibt es einen „link leader“. Er setzt die Prioritäten, unterstützt die anderen Rollen und stellt Verbindungen sicher.

Ein gemeinschaftliches Management

“Arbeiten ohne Chef ist sehr selten möglich. Stellen Sie sich ein Orchester vor, das eine Beethoven-Symphonie spielen muss ohne Dirigent. Selbst mit den kompetentesten Musikern kann das nicht auf Anhieb gelingen.“ Dies sagt die selbständige Arbeitspsychologin Tanja Wranik. Ein Orchester braucht einen Chef, der die Musiker koordiniert, wie ein Unternehmen einen Chef, oder vielmehr einen Anführer, braucht, um die Aufgaben zu koordinieren und zu einem Resultat zu kommen. „Das Management muss sich aber ändern, es muss Richtung gemeinsamer Führung gehen, Richtung gemeinschaftliches Management“, fügt Tanja Wranik dazu.

In immer mehr Unternehmen werden die Hierarchien abgeschafft. Entscheidungen werden nicht mehr an der Spitze der Pyramide getroffen, sondern überall im Unternehmen; dort, wo die Information ist, dort, wo die Aufgabe ausgeführt werden muss. Organisationsformen, in denen die Aufgaben und Entscheide an die einzelnen Ebenen delegiert sind, erfordern von allen Angestellten viel Motivation und Engagement. Es braucht den Willen aller, Resultate zu erreichen. Zwei Voraussetzungen garantieren den Erfolg eines Gemeinschaftsmanagements: klare, von allen akzeptiert Spielregeln und kompetente Angestellte, die bereit sind, ihre Kompetenzen stets weiter zu entwickeln.

Eine Antwort auf die Komplexität der Arbeitswelt

Für Tanja Wranik sind die Voraussetzungen für ein gemeinschaftliches Management leider nicht immer gegeben: „Selbst sehr leistungsfähige Organisationen brauchen einen Lenker, wie ein Orchester einen Dirigenten. Die verschiedenen Leistungsträger brauchen sehr hohe fachliche und zwischenmenschliche Kompetenzen.“ Bei gewissen Angestellten kann sonst ein Gefühl der Unsicherheit entstehen. Ohne Chef muss jeder Angestellte seine eigenen Ziele, aber auch seine Grenzen selber definieren; er könnte die Orientierung verlieren. Im Extremfall kann dies zu einem Burnout führen, so ist zu vermuten.

Julien Gogniat ist Holakratie-Praktiker. Er betont, dass die Methode in allen Unternehmen umgesetzt werden kann, je nachdem brauche das aber mehr oder weniger Zeit. „Die Angst vor dem Wandel ist das grösste Hindernis“, weiss Gogniat.

Trotz einiger Nachteile haben die Holakratie und ähnliche Modelle eine grosse Zukunft vor sich. Tanja Wranik sieht in mehr Zusammenarbeit und weniger Hierarchie Chancen. Die Angestellten gewinnen mehr Autonomie. Organisationen, welche die Angestellten in die Entscheide einbeziehen und die Informationen dort abholen, wo sie sind, sind für die aktuellen Herausforderungen besser gerüstet als hierarchische Strukturen, in denen das Handeln blockiert ist, weil die Entscheidungswege zu lange sind. „Die Umwelt wird dermassen komplex, dass sich die Unternehmen anpassen müssen. Mit Organisationsmodellen wie der Holakratie ist das möglich.“ Davon ist Julien Gogniat überzeugt.

Virginie Jaquet

Freitag, 13. Nov 2015

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Damit es funktioniert

Die Erfolgsfaktoren für ein Gemeinschaftsmanagement sind:

  • Klare Spielregeln definieren
  • Die Rolle jedes Mitarbeitenden definieren
  • Die Delegation von Autorität akzeptieren
  • Klare Kommunikation
  • Entwicklung der Kompetenzen der Mitarbeitenden ermöglichen
«Das Management muss sich ändern, es muss Richtung gemeinsamer Führung gehen, Richtung gemeinschaftliches Management»
Tanja Wranik, Arbeits- und Organisationspsychologin