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Coworking – so arbeitet man heute immer öfter

Verabschieden Sie sich nett von Ihren zwei Quadratmetern Schreibtisch – die Zukunft gehört dem Büro-Teilen. In den letzten Jahren entstanden immer mehr Coworking-Arbeitsplätze. Diese neue Arbeitsform fördert den Austausch und das Netzwerken. Für die Angestellten ist sie nicht ohne Risiko.

 

Tasse Kaffee, Beigen von Dokumenten, Schreiber, Pflanze, Familienfoto, Vorrat an Post-it-Zetteln – in Ihrem Büro mangelt es an nichts. Sie verbringen dort acht bis zehn Stunden pro Tag, darum haben Sie Ihren Arbeitsplatz perfekt organisiert. Sie haben ihn nach Ihrem Geschmack so eingerichtet, dass sie gerne dort arbeiten. Ihr Büro ist ein wenig Ihr zweites Zuhause. Können Sie sich vorstellen, plötzlich kein Büro mehr zu haben und zum „Büro-Nomaden“ zu werden?

Coworking boomt

 „Sans bureau fixe“, „ohne festes Büro“, so lautet der Titel eines Werks des französischen Soziologen Bruno Marzloff. Thema sind neue Arbeitsorte und Arbeitsgemeinschaften. Marzloff zeigt auf, wie ein wachsender Anteil Angestellter ausserhalb der Unternehmenslokalitäten arbeitet. Diese Angestellten installieren sich an „Drittorten“ wie dem Zuhause, dem Café um die Ecke, dem Zug oder in einem Gemeinschaftsraum. Diese Entwicklung spiegelt sich im Boom von Coworking-Räumlichkeiten und geteilten Büros. 2008 gab es gerade mal eine Coworking-Lokalität in der Romandie, heute zählt man 23.

Die sieben Gründer von „Voisins“ („Nachbarn“), einer 2014 gegründeten Coworking-Lokalität in Genf, wollen mehr als einfach einen Büroplatz zur Verfügung stellen: nämlich einen „Lebensort“. Darum bietet Voisins auch eine Kaffeeecke an und organisiert regelmässig Apéros. „Wir wollen die Vernetzung fördern mit dem Ziel, den Austausch und die Kreativität anzugregen“, sagt Noémie Chamoux von Voisins. Genau darum zieht das Coworking vorwiegend Freischaffende und Unternehmer an, welche die Gründung eines Start-ups wagen wollen. Coworking ist für Angestellte aber nicht ausgeschlossen.

Coworking ist nicht das Gleiche wie das Teilen von Büroräumlichkeiten

Die Arbeitspsychologin Sibylle Heunert Doulfakar (Mitglied von PSY4WORK.CH, des Schweizerischen Verbands für Arbeits- und Organisationspsychologen/innen) unterscheidet zwischen einer Coworking-Lokalität, wie sie zum Beispiel Notare, Psychologen oder andere Unabhängige nutzen, und geteilten Büroräumlichkeiten, wie ihn Unternehmen gelegentlich für ihre Angestellten mieten.

Das Coworking fördert den Austausch und das Netzwerken, was viele Selbständige suchen. Geteilte Büroräumlichkeiten kommen gemäss Noémie Chamoux dem Bedürfnis nach Mobilität entgegen: „Die Angestellten können ihre Arbeitszeit optimieren, besonders wenn sie weit weg vom Arbeitsort wohnen.“ Klar könnten sie dies auch mit Telearbeit, aber ein Büro ausserhalb des eigenen Heims ermögliche, das Berufsleben besser vom privaten Leben zu trennen, findet Sibylle Heunert Doufakar.

Schwindendes Firmenzugehörigkeitsgefühl

Es gibt aber auch die Kehrseite der Medaille. „Unternehmen, die ihre Angestellten ermuntern, regelmässig in geteilten Büroräumlichkeiten ausserhalb des Betriebs zu arbeiten, fordern sie auf, Mikro-Unternehmer zu werden“, sagt Sibylle Heunert Doulfakar. Man kann das begrüssen, darf aber nicht vergessen, dass dahinter Ziele stehen und dass Resultate erwartet werden. „Es kann ein Widerspruch entstehen, ein Widerstreit zwischen Unternehmertum und den zu respektierenden Arbeitsverfahren – das kann zu Erschöpfung und Stress führen“, ergänzt die Arbeitspsychologin. Sie weist auch auf das Risiko hin, dass Angestellte das Zugehörigkeitsgefühl zur Firma verlieren können, wenn sie regelmässig an solchen Orten arbeiten.

Trotz dieser Risiken dürften geteilte Büroräumlichkeiten nicht verschwinden. Seitens der Freischaffenden und Unternehmer ist der Bedarf nach solchen Lokalitäten ausgewiesen. Was die Angestellten betrifft, sie erfahren einfach die Folgen einer Entwicklung, die im Gange ist. „Die Art und Weise, wie in Betrieben gearbeitet wird, entwickelt sich weiter“, unterstreicht Noémie Chamoux. „ Weil man Kosten und Ressourcen optimieren will, werden Coworking und Telearbeit gefördert.“ Man wird sich also langsam daran gewöhnen müssen, kein Büro mit Kaffeetasse, Pflanze, Familienfoto und Beigen von Dokumenten mehr zu haben.

 

Virginie Jaquet

 

Montag, 30. Mai 2016

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>> Unter dem Titel „Schöner arbeiten“ beschreibt das Magazin „Context“ des Kaufmännischen Verbands die im Haupttext beschriebene neue Arbeitswelt.

>> Ein aktuelles Beispiel eines Coworking-Projekts im Berner Oberland findet sich in der Berner Zeitung.

>> Die NZZ hat die Büros der Zukunft schon vor einiger Zeit beschrieben.